Hauptausgabe vom 28.11.2001 - Seite 007
WIEN: Umfassende Retrospektive von Franz West im Wiener Museum für Angewandte Kunst

Schmunzelanreiz für Kunstgenießer

VON WALTER BEYER

Keine andere künstlerische Disziplin war in den letzten Jahrzehnten ähnlich starken Veränderungstendenzen unterworfen wie die Bildhauerei. War noch für die großen Alten Wotruba, Moore oder Giacometti der Mensch Ausgangspunkt allen Schaffens, so ist dieser in den Werken der Folgegenerationen so gut wie völlig verschwunden. An seine Stelle traten geistig-konzeptionelle Überlegungen.

Wortwitz großgeschrieben

Aus welch unterschiedlichen Quellen derartige Gedankenanstöße kommen können, lässt sich wohl nirgends besser ablesen als am Werk von Franz West, dem das MAK (Museum für Angewandte Kunst in Wien) bis 17. Februar 2002 eine umfassende Personale widmet.

Da verbindet sich eine, an Morgenstern gemahnende Skurrilität mit einem kräftigen Schuss Provokation, der verständlich macht, dass sich West in jungen Jahren so stark vom Wiener Aktionismus angezogen fühlte. Schließlich kommt auch dem Wortwitz eine bei wenig anderen lebenden Künstlern festzustellende Bedeutung zu.

Wenn etwa ein überdimensionaler Darm mit dem Titel "Drama" versehen, oder die Installation "Kantine" - in der Königsberger Klopse serviert werden, die Haubenkoch Gerer zubereitet hat - von Kant hergeleitet wird, dann blinzelt Urvater Jandl unmissverständlich über die Schulter.

Im Environment Chou-Chou wiederum hat Schumanns "Frauenliebe" aus einem Lautsprecher tönend gegen Schuberts aus dem zweiten Lautsprecher erklingenden "Schöne Müllerin" anzukämpfen. Das mag so manchen in einer schlecht isolierten Neubauwohnung Lebenden an seine eigenen vier Wände erinnern. Dass übrigens Schubert über Schumann siegte kann zum Teil wohl auch am deutlich stärker eingestellten Lautsprecher liegen.

Ja, bei dieser Ausstellung darf endlich wieder einmal geschmunzelt werden. Außerdem wird der Besucher immer wieder zur aktiven Teilnahme aufgefordert. So wird man stets zum Benützen der Sitzgelegenheiten oder zum Umhängen der Halskrausen von der Installation "tournure" aufgefordert.

Vor dem MAK geht es weiter mit einer penidenförmigen Stele beim Luegerdenkmal am Ring und vier mächtigen Lemurenköpfen auf der Stubenbrücke. Weshalb die Farbe Pink für West eine so dominante Bedeutung hat, dürfte freilich nur die Tiefenpsychologie zu ergründen wissen.

MAK/Wien: bis 17. 2., Mi.-So., 10-18, Di., 10-24 Uhr, Mo. geschlossen.


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