Quer durch Galerien
Im Hundeklo eingeschneit
Von Claudia Aigner
Das Auto - der beste Freund des Menschen. Na ja, der beste
von jenen Freunden, die über Nacht im Hundeklo stehen, das bekanntlich
irgendwo beim Rinnstein liegt. (Glücklich der Schuster, dessen Kunden nie
eine Straße überqueren!) Als Birgit Jürgenssens Renault 4 auf seinem
Parkplatz einmal kaum noch zu sehen war vor lauter - keine Angst, nicht
vor lauter Notdurft, sondern vor lauter Schnee, zückte sie ihren
Fotoapparat. Und nannte das Ergebnis (bis 20. Dezember in der Auslage der
Galerie Winter, Breite Gasse 17): "Ich weiß nicht." Wenn da "Ich war's
nicht" stehen würde (oder "Schneeschaufeln ist Macht"), wäre mir wohler.
So muss ich passen. 1975 hat Birgit Jürgenssen so etwas wie den Laptop
für die moderne Frau entwickelt, damit diese ihre Hausfrauenpflichten
überallhin mitnehmen kann: die genialische "Hausfrauen-Küchenschürze" (ein
tragbarer "Einbauherd"). Revolutionär wie der ambulante Computer für den
Geschäftsmann, also in Anlehnung ans Heimchen am Herd: fürs "Bürochen am
Computer". (Aufdeckerische) Verunsicherung ist eben ihr Metier. Oder die
gekonnte Irritation des Sehvermögens. "Zebra": Sie selbst mit Zebramaske,
ein Digitalfoto, auf dem die Pixel wohl größenwahnsinnig sind und wie
Hochhäuser in die Höhe schießen. "L' après midi": Eine Kamera dreht
sich im Atelier im Kreis und deckt auf: Die Frisur der Jürgenssen ist eine
multiple Persönlichkeit. (Eine Perücke pro Umdrehung.) "Love & Peace":
zwei Wasserpistolen in Duellpose, die sich gegenseitig fast den Lauf
verstopfen (was man von Küssern auch sagen kann). Man hätte diese
prägnante Kurzfassung vom Kalten Krieg auch nennen können: "Billy the Kid
und Pat Garrett spielen Weltfrieden und haben sich ganz furchtbar lieb".
Ein Mensch, der nicht da ist, hinterlässt in der Welt üblicherweise
keine Lücke in Menschengestalt. Bei Markus Reiter schon. (Bis 21. Dezember
in der Galerie Lang, Seilerstätte 16.) Trotzdem ist Reiter, bei dem die
Figuren entweder ausgespart oder körperlose Schatten sind, kein
Porträtverweigerer und "Physiognomie-Ignorant", der immer ein absolut
realistisches Gesicht daneben hängen müsste (mit dem Titel: "Ich kann ja
wohl malen"). Im Gegenteil: Seine Bilder funktionieren sehr gut.
Problemlos kann man sich etwa den vom Bildtitel geforderten "Jüngling mit
Früchtekorb" ins Bild hineinhalluzinieren. Und wenn etwas so demonstrativ
"abwesend" ist, dann fühlt man sich halt schon ungemein metaphysisch
angerührt. Besonders, wenn in einer Ecke "Carpe diem" steht. Nütze den
Tag, denn einmal bist du futsch! Ob man nun das Gefühl hat, sich über
Monets Seerosenteich zu beugen oder über ein anderes Gewässer, in Hisako
Kobayashis farbsensiblen, stimmungsvollen Malereien voller subtiler
Spannung kann das Auge regelrecht "herumschnorcheln". Nicht selten kann
man gut einen halben Meter weit hineinschauen. Manche Bilder haben eine
derartige Tiefe, dass man ernsthaft in Betracht zieht, dass es da noch
mindestens fünf weitere Meter geben muss, die man halt nur nicht sieht.
Man kommt zwangsläufig ins Schwärmen. Bis 4. Dezember in der Galerie
Gabriel (Seilerstätte 19).
Erschienen am: 30.11.2001 |
. |
![](00052984-Dateien/kunst.gif)
Quer durch Galerien
Kunsthalle Wien: "Televisions - Kunst sieht fern"
"Selenographie" setzt neue Maßstäbe
Sammlung Essl Klosterneuburg: Selbstbildnisse
Jüdisches Museum: Ludwig- Meidner- Retrospektive
Quer durch Galerien
MAK/Kunstblätters aal: Arbeiten von Josef Binder
Jüdisches Museum: "Displaced. Paul Celan in Wien 1947/1948"
![](00052984-Dateien/aktuell.gif)
![](00052984-Dateien/oper.gif)
![](00052984-Dateien/theater.gif)
![](00052984-Dateien/konzert.gif)
![](00052984-Dateien/literatur.gif)
![](00052984-Dateien/film.gif)
![](00052984-Dateien/fernsehen.gif)
![](00052984-Dateien/links.gif)
|
. |