Vorsichtige Neugier


"Hoch hinaus wollen die Reinsberger nur beim Maibaumklettern,..." heißt es in einem Werbeprospekt über Reinsberg, der seit den späten 70er Jahren in unveränderter Form erscheint. Hoch hinaus im wörtlichen wie übertragenen Sinne wollen die Reinsberger heuer aber mit dem Veranstaltungsforum "Burgarena Reinsberg".

Die Burgruine in Reinsberg
Die Burgruine in Reinsberg

Geteilte Interessen

An der Umwandlung der verfallenen Ruinenreste in eine vielseitig bespielbare Veranstaltungsbühne scheiden sich die Geister in dem kleinen Ort. Waren die einen für eine zwar benutzbare, aber romantisch verwachsene Burgruine, plädierten die anderen für eine "große Lösung", für die Schaffung einer professionellen Arena. Die architektonische Konzeption, die von einem alten, ausrangierten Baukran getragen wird, rief ebenso Kritiker auf den Plan, wie die Sorge um die Finanzierbarkeit.

Zentrum gegen Peripherie

Das Konzept einer zentralen Spielstätte widerspricht auch dem bisherigen verteilten System: Während früher Theateraufführungen, Ausstellungen, Konzerte usw. an verschiedenen Orten in und um Reinsberg stattfanden, konzentrieren sich jetzt alle Aktivitäten auf einen Punkt, allein schon, damit sich der Betrieb von Burg und Restaurant rentiert.

Kultur ist Leben

Die treibende Kraft hinter den zahlreichen Aktivitäten ist der örtliche KFZ-Mechaniker, Obmann des Vereins Burgruine und Proponent vieler anderer Kulturinitiativen, Karl Prüller. Er hält den Kritikern den wirtschaftlichen, vor allem aber den menschlichen Nutzen des kulturellen Engagements entgegen. Es sei wichtig, sich im Wettkampf der Regionen und in der Region zu positionieren.

Für Karl Prüller ist das das Kennenlernen interessanter Menschen - die Künstler, die Gäste, die neugierig gewordenen Bewohner der weiteren Umgebung, - die im Zuge der Projekte nach Reinsberg kommen, von besonderem Reiz: "Es ist spannend, uns mit Menschen, die anders denken, anders handeln, sich anders geben als wir, zu konfrontieren."

Dem aktuellen Kunstprojekt "Gemeinsame Sache" schreibt er sogar therapeutische Wirkungen zu. Gerade nach dem nicht unumstrittenen Umbau der Burgruine ermögliche der Kontakt mit Außenstehenden ein Aussprechen der verdeckten Konflikte und Ressentiments.

Der rostige Burgschalk

Dass sich kontinuierliche Aufbauarbeit in Sachen Kunstverständnis lohnt, beweist er am Beispiel des Reinsberger Markenzeichens "Burgschalk", das auf eine Metallskulptur zurückgeht. Als sie zum ersten Mal auf dem Dorfplatz aufgestellt wurde, stieß das "große rostige Gestell" auf fast einhellige Ablehnung. Mittlerweile ist der eiserne Burgschalk als Maskottchen und idealer Werbeträger allgemein akzeptiert.

Saumpfade des Mittelalters

Ein Besuch beim Bürgermeister verdeutlicht die pragmatische Sicht der Dinge. Ihm geht es mit Burgarena und Kunstprojekt um ein touristisches Zeichen, um Belebung und Horizonterweiterung: "Das bringt Leute in unser Dorf, und uns Verständnis für Kunst, vor allem für moderne Kunst."

Auch der Kritik an der ungewöhnlichen Burgarena kann er etwas Gutes abgewinnen: "Als Tischler weiß ich, dass kaum ein Haus, das bei uns gebaut wird, die Zustimmung aller findet. Immerhin spricht man über Reinsberg." Als das Gespräch auf die Geschichte des Dorfes fällt, blüht der Bürgermeister regelrecht auf. Er erzählt von den Handwerkshäusern, die rund um die Burg standen, von der Bedeutung des Ortes als Proviantlieferant für die Eisenstraße und vom Bistum Regensburg, dessen südlichste Taufstelle Reinsberg im frühen Mittelalter war.

Kunst fängt bei der Neugier an

Einem Urteil über "Gemeinsame Sache" weichen viele Reinsberger, wenn man sie direkt anspricht, zunächst vorsichtig aus. Sie finden die Künstler sympathisch, schätzen ihr Engagement, sind aber noch unsicher, wie sie mit den Ergebnissen ihrer Arbeit umgehen sollen.

Nachdem in den letzten Jahren anlässlich der FerroARTE-Ausstellungen auch Symposien über zeitgenössische Kunst veranstaltet wurden, sind sie eher auf Skulpturen und Installationen in der Landschaft vorbereitet gewesen. Die immateriellen Konzepte der diesjährigen Künstler sind etwas ganz Neues, ebenso der Umstand, dass sie als Personen stark mit einbezogen werden. Neugierig aber sind sie allemal, und das mit einer Unvoreingenommenheit, die Reinsberg in den nächsten Jahren vielleicht noch manch anderes spannende Kulturprojekt bescheren wird.

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