"Hoch hinaus wollen die Reinsberger nur
beim Maibaumklettern,..." heißt es in einem Werbeprospekt über Reinsberg,
der seit den späten 70er Jahren in unveränderter Form erscheint. Hoch
hinaus im wörtlichen wie übertragenen Sinne wollen die Reinsberger heuer
aber mit dem Veranstaltungsforum "Burgarena Reinsberg".
![Die Burgruine in Reinsberg](00051448_files/3-ruine.jpg) |
Die Burgruine in
Reinsberg |
Geteilte Interessen
An der Umwandlung der verfallenen Ruinenreste in eine vielseitig
bespielbare Veranstaltungsbühne scheiden sich die Geister in dem kleinen
Ort. Waren die einen für eine zwar benutzbare, aber romantisch verwachsene
Burgruine, plädierten die anderen für eine "große Lösung", für die
Schaffung einer professionellen Arena. Die architektonische Konzeption,
die von einem alten, ausrangierten Baukran getragen wird, rief ebenso
Kritiker auf den Plan, wie die Sorge um die Finanzierbarkeit.
Zentrum gegen Peripherie
Das Konzept einer zentralen Spielstätte widerspricht auch dem
bisherigen verteilten System: Während früher Theateraufführungen,
Ausstellungen, Konzerte usw. an verschiedenen Orten in und um Reinsberg
stattfanden, konzentrieren sich jetzt alle Aktivitäten auf einen Punkt,
allein schon, damit sich der Betrieb von Burg und Restaurant rentiert.
Kultur ist Leben
Die treibende Kraft hinter den zahlreichen Aktivitäten ist der örtliche
KFZ-Mechaniker, Obmann des Vereins Burgruine und Proponent vieler anderer
Kulturinitiativen, Karl Prüller. Er hält den Kritikern den
wirtschaftlichen, vor allem aber den menschlichen Nutzen des kulturellen
Engagements entgegen. Es sei wichtig, sich im Wettkampf der Regionen und
in der Region zu positionieren.
Für Karl Prüller ist das das Kennenlernen interessanter Menschen - die
Künstler, die Gäste, die neugierig gewordenen Bewohner der weiteren
Umgebung, - die im Zuge der Projekte nach Reinsberg kommen, von besonderem
Reiz: "Es ist spannend, uns mit Menschen, die anders denken, anders
handeln, sich anders geben als wir, zu konfrontieren."
Dem aktuellen Kunstprojekt "Gemeinsame Sache" schreibt er sogar
therapeutische Wirkungen zu. Gerade nach dem nicht unumstrittenen Umbau
der Burgruine ermögliche der Kontakt mit Außenstehenden ein Aussprechen
der verdeckten Konflikte und Ressentiments.
Der rostige Burgschalk
Dass sich
kontinuierliche Aufbauarbeit in Sachen Kunstverständnis lohnt, beweist er
am Beispiel des Reinsberger Markenzeichens "Burgschalk", das auf eine
Metallskulptur zurückgeht. Als sie zum ersten Mal auf dem Dorfplatz
aufgestellt wurde, stieß das "große rostige Gestell" auf fast einhellige
Ablehnung. Mittlerweile ist der eiserne Burgschalk als Maskottchen und
idealer Werbeträger allgemein akzeptiert.
Saumpfade des Mittelalters
Ein Besuch beim Bürgermeister verdeutlicht die pragmatische Sicht der
Dinge. Ihm geht es mit Burgarena und Kunstprojekt um ein touristisches
Zeichen, um Belebung und Horizonterweiterung: "Das bringt Leute in unser
Dorf, und uns Verständnis für Kunst, vor allem für moderne Kunst."
Auch der Kritik an der ungewöhnlichen Burgarena kann er etwas Gutes
abgewinnen: "Als Tischler weiß ich, dass kaum ein Haus, das bei uns gebaut
wird, die Zustimmung aller findet. Immerhin spricht man über Reinsberg."
Als das Gespräch auf die Geschichte des Dorfes fällt, blüht der
Bürgermeister regelrecht auf. Er erzählt von den Handwerkshäusern, die
rund um die Burg standen, von der Bedeutung des Ortes als
Proviantlieferant für die Eisenstraße und vom Bistum Regensburg, dessen
südlichste Taufstelle Reinsberg im frühen Mittelalter war.
Kunst fängt bei der Neugier an
Einem Urteil über "Gemeinsame Sache" weichen viele Reinsberger, wenn
man sie direkt anspricht, zunächst vorsichtig aus. Sie finden die Künstler
sympathisch, schätzen ihr Engagement, sind aber noch unsicher, wie sie mit
den Ergebnissen ihrer Arbeit umgehen sollen.
Nachdem in den letzten Jahren anlässlich der FerroARTE-Ausstellungen
auch Symposien über zeitgenössische Kunst veranstaltet wurden, sind sie
eher auf Skulpturen und Installationen in der Landschaft vorbereitet
gewesen. Die immateriellen Konzepte der diesjährigen Künstler sind etwas
ganz Neues, ebenso der Umstand, dass sie als Personen stark mit einbezogen
werden. Neugierig aber sind sie allemal, und das mit einer
Unvoreingenommenheit, die Reinsberg in den nächsten Jahren vielleicht noch
manch anderes spannende Kulturprojekt bescheren wird.