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Kunstberichte
Irritierende Skulpturen der Interventionskünstler Steinbrener und Dempf im Tiergarten Schönbrunn

Adam und Auto im Garten Eden

Wer hat hier Vorrang: Nashorn oder Mercedes?

Wer hat hier Vorrang: Nashorn oder Mercedes?

Von Claudia Aigner

Aufzählung "Du Papa, was macht’n das Auto da im Swimmingpool vom Nashorn?" – "Äh, das ist so eine Art Crashtest, Kevin. So wie Ikea mit Elefanten die Belastbarkeit von den Sofas überprüft, nehmen die, die die Mercedes-Autos bauen, halt Rhinozerosse. Und schaun, was die Knautschzone so aushält." – "A so."

Ein Tierpark ist ja an sich schon ein idealer Ort für gewagte zoologische Theorien, dass zum Beispiel der Ameisenbär ("Jö, schau, ein Iltis!") deshalb so eine lange Nase hat, damit er sich nicht wie der Maulwurf immer gleich zur Gänze eingraben muss. Aber seit sich zwei berüchtigte Ironiker (Christoph Steinbrener und Rainer Dempf) im Tiergarten Schönbrunn an sechs Gehegen zu schaffen gemacht haben, haben Eltern und Großeltern gleich sechs wunderbare Gelegenheiten mehr, die wissbegierige "Generation Warum" mit kreativen Erklärungen zu beeindrucken.

"Warum liegen denn die Schienen dort bei den Kühen herum, Oma?" – "Ach, die stammen noch von den Römern. Das haben die Rinder wahrscheinlich mit ihren Hufen ausgegraben." Mischt sich ein Unbeteiligter ein: "Ich hab aber g’hört, die Viecher werden bald irgendwo ausgewildert, wo die Eisenbahn durchfährt. Und jetzt sollen sie schon amal ein bissl üben, damit sie beim Überschreiten der Gleise nicht stolpern und der Zug dann dauernd Verspätung hat. Und außerdem san des kane Kia, des san Gnus." (Streng genommen Bisons.) Kurz: Steinbrener/Dempf stören mit der Aktion "Trouble in Paradise" die heile Welt, lassen in die idyllischen Imitate der "natürlichen Lebensräume" die Zivilisation eindringen.

Wie Rhino und Julia

Im Rhino-Badeteich haben sie eben einen roten Mercedes versenkt, der absolut rhinosicher ist: innen stahlverstärkt, unten ein Betonfundament. Und sogar die Männlich-, äh: Mercedeslichkeit hat man abmontiert (wegen der Verletzungsgefahr): den Stern. Steinbrener: "Ein Nashorn kann gut klettern. Das Auto ist auch bereits bestiegen worden."

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Das schwarze Ungetüm bei den Pinguinen hat nichts mit "Feng-Sushi" zu tun. Von dort wird zur Fütterungszeit kein roher Fisch heruntergeworfen. Fotos: Tiergarten Schönbrunn

Ist dem Panzer-Rhino sein Plantschgenosse also sympathisch wie unsereinem die "Anas elastica", die Gummi-Ente? Fürs Foto hat der Pfleger ihm freilich auf Nepalesisch gut zureden müssen, damit es sich zutraulich nähert. Und es mit ein paar Apfelstücken bestochen. Im Aquarium lauert ein Giftfass und das Domizil vom Krokodil ist mit Sperrmüll garniert: mit einer Badewanne, einem Tischerl und einem enormen Baggerreifen. ("Schau, Selina! Das ist der Fitnessparcours für Krokodil. Da jagt der Pfleger das Kroko immer drüber. Und damit es nicht zu dick wird, weil es die ganze Zeit nur so faul herumknotzen tut, muss es jeden Tag durch den Reifen springen. Wie im Zirkus.")

Wie nennt man das eigentlich, was Steinbrener/Dempf hier tun? Sabotage-Art? Feng-Shui ist das jedenfalls nicht. Im Grunde ist es ein wahrnehmungspsychologisches Experiment. Das kolossalste Trumm wiegt zwar eineinhalb Tonnen (der "nickende Pferdekopf" bei den Pinguinen), doch das Auffälligste daran ist, dass es praktisch keinem auffällt. Nicht einmal den Pinguinen.

Kein Erdöl am Südpol

Steinbrener: "Es laufen ganze Schulklassen daran vorbei und sehen die Ölpumpe nicht." Die verwechseln die täuschend echte Kopie aus Holz wohl mit einer Baumaschine, die an der Antarktis-Kulisse Ausbesserungsarbeiten vornimmt. An der schneebedeckten Holzütte bei den Elefanten wär’ ich ja selber fast achtlos vorbeigegangen. Ein Sofa von Ikea hätt’ ich aber bestimmt auf Anhieb bemerkt. (Schnee auf dem Kilimandscharo, das lass ich mir ja noch einreden. Doch Eiszapfen bei uns im Sommer? Muss wohl dieser Klimawandel sein.)

Was bringen uns nun also diese desillusionierenden Schönheitsfehler, die dem Naturromantiker beim Anschmachten der lebenden Genrebilder plötzlich einen (eh recht sanften) ästhetischen Schock versetzen? Gut, die eigentliche Zielgruppe dürften ohnedies die Volksschulkinder sein. Die werden vielleicht den Drang verspüren, ihr Taschengeld auf der Stelle Greenpeace zu spenden oder auf einen CO2-neutralen Lebenswandel zu achten, damit die Elefanten nicht irgendwann alle von Eiszapfen erschlagen werden. Den Erwachsenen (die mehr amüsiert als betroffen sein dürften) müssen die ungewohnten Requisiten aber wenigstens nicht peinlich sein wie die chronisch herumstehenden Bronzeviecherln des Gottfried Kumpf, vor denen ich stets instinktiv die Zeigefinger kreuze, als wäre mir gerade Dracula über den Weg gelaufen.

(Obwohl teilweise von wahren Dialogen beeinflusst, sind sämtliche Äußerungen der Papas und Omas frei erfunden.)

Aufzählung Ausstellung
Trouble in Paradise
Steinbrener und Dempf
Tiergarten Schönbrunn
Bis 18. Oktober

Printausgabe vom Mittwoch, 24. Juni 2009

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