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Galerien in Wien: Trau niemals dir selbst!

26.03.2008 | 18:29 | ALMUTH SPIEGLER (Die Presse)

Documenta-7-Star Peter Friedl stellt erstmals in der Galerie Meyer Kainer aus.

„Seine“ Giraffe war das meistfotografierte Objekt der „Documenta 7“ im vorigen Sommer. Peter Friedl hatte „Brownie“ aus dem einzigen Zoo auf palästinensischem Gebiet in der Stadt Qalqilyah einschiffen lassen, wo sich das Tier bei einem Angriff der israelischen Armee 2003 zu Tode erschrocken hatte und anschließend ausgestopft wurde. Als stummer Repräsentant des Israel-Palästina-Konflikts fand sie sich dann plötzlich wie ein zernepftes Stofftier in einer Art Kuschelzone der Documenta wieder – kommentarlos unserem Nichtwissen ausgeliefert vom 1960 in Oberneukirchen geborenen Künstler.

Eine perfide Taktik, an der man sich zu rächen glaubte, indem man Friedls Kinderzeichnungen verlachte, die ebenfalls ausgestellt waren. Womit man unweigerlich in der nächsten Falle landete. Es war eines der Schlüsselwerke der Documenta, ein Beweis gegen Linearität in der Kunst, gegen eine Entwicklung, wie wir in Europa sie nun einmal gelernt haben. Denn Friedl ist der Überzeugung, erzählt sein neuer Wiener Galerist Christian Meyer, dass seine gesamte künstlerische Arbeit bereits in seinen Kinderzeichnungen angelegt war.

Überhaupt der böse westliche Blick. Seine Hinterfragung scheint ein Hauptmotiv von Friedl, der damit nicht nur bei Documenta-Chef Roger Buergel, sondern zurzeit bei den meisten einflussreichen Kuratoren punktet. Und hier in Österreich, der seit Jahren für Berlin verlassenen Heimat, kennt man ihn so wenig. Was sich vielleicht jetzt verbessern könnte, denn bei „Meyer Kainer“ ist jetzt eine erste kleine Überblicksausstellung über sein für unsere von uns selbst so verwöhnten Blicke nicht völlig unsperriges Werk zu sehen.

Wer etwa erst einmal achtlos am Bildschirm mit schlichter Wolken-animation auf blitzblauem Himmel vorbeischlendert, sollte noch einmal zurückkehren und sich schämen: Friedl hat den Tourismus-Werbespruch von Zypern, hier gäbe es nie eine Wolke, nicht glauben wollen und genau über der mit Fotografieverbot belegten „Green Line“, die Zypern teilt, mit der Kamera auf ein Wölkchen gewartet und am Computer dann zum glatten Comic animiert.

Im nächsten Raum dann ein chronologischer Parcours aus fotografierten Zeitungsausschnitten, die Friedl seit 1992 für sein nach einem idealistischen Statement des US-Philosophen John Rawls benannten Archivprojekt „Theory of Justice“ sammelt. Vor allem sieht man hier Pressebilder von Protesten und Streiks seit den 30er-Jahren, vom Feminismus bis zu Fabriksarbeitern und einem Hund, der „für Opel“ streikt.

Das steinerne Ei, das neben der Farbfotografie eines gerade tauchenden Hippos in einer Vitrine liegt, stellt sich auf Nachfrage übrigens doch nicht als tierischer Gallenstein heraus. Und das brutale Video, das im Obergeschoß zeigt, wie Schwarze einen weißen Polizisten verprügeln, ist auch nicht von Youtube heruntergeladen. Sondern wurde nach einer realen Begebenheit von Friedl aufwendig nachgestellt. Was wir aus all dem erst einmal lernen: Trau keinen vordergründigen Bildern. Und das ist doch schon einmal ziemlich viel.

Bis 19.4., Eschenbachg. 9, Wien 1

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.03.2008)


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