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vom 05.06.2007 - Seite 021
Das zweite Leben der toten Straße

Ehrgeizig ist das Programm für das diesjährige Ars Electronica Festival (die OÖN berichteten). Neben dem umfangreichen Programm zu "Goodbye Privacy" - zwischen Selbstdarstellung und Überwachung - soll die "tote" Linzer Marienstraße kurzfristig wiederbelebt werden.

VON DOMINIKA MEINDL

"Die Marienstraße ist ein perfektes Stück nicht funktionierender Stadt. Sobald man vom Graben um die Ecke biegt, ist alles tot. Nicht einmal ein Geschäft, das gebrauchte Unterwäsche verkauft hat, konnte sich hier halten", erzählt Gerfried Stocker, künstlerischer Leiter des Ars Electronica Centers (AEC). In der Tat: Nur wenige Meter neben der Einkaufsmeile auf der Landstraße stehen die Häuser und Auslagen leer.

Neue Nachbarschaft erobern

Das soll sich ändern. Zumindest während des Festivals zwischen 5. und 11. September. "Wir erobern gerade unsere neue Nachbarschaft." Am 1. Mai hat das AEC seinen Betrieb am neuen Standort am Graben aufgenommen, Auswirkungen auf die unmittelbare Umgebung der Innenstadt sind mehr als erwünscht.

Die Stadt soll im September nicht bloß Bühne, sondern selbst zum Medium werden. Im Zentrum wird dabei die Marienstraße stehen. Die Kulisse der leerstehenden Auslagen ähnelt jetzt schon jener von virtuellen Städten und Gebäuden. Das Festival macht die Marienstraße also zum "Portal zwischen Wirklichkeit und Künstlichkeit", zur "Second City".

Die tote Marienstraße erhält ein zweites Leben nach der Art von "Second Life": Dabei handelt es sich um eine virtuelle Welt, die von ihren registrierten Benutzern gestaltet und für Handel und Kommunikation genützt wird. Derzeit hat die Website schon fast sieben Millionen "Bewohner", Tendenz stark steigend.

Privatheit und Kontrolle

Gerade am Phänomen "Second Life" lässt sich verdeutlichen, worum es beim Festival geht: "Goodbye Privacy" widmet sich der Spannung zwischen medialer Selbstdarstellung und Überwachbarkeit. Wo bleibt der Schutz der Privatsphäre, wenn alles über das Internet läuft und jede Spur verfolgbar bleibt? Und wo bleibt das Private neben dem stets stärker werdenden Drang zur virtuellen Selbstdarstellung? Neben der Inszenierung einer Straße widmet sich das Festival diesen Fragen auch über ein Symposium und in Zusammenarbeit mit der Österreichischen Richtervereinigung.

Festivalleiter Martin Honzik verweist auch auf die Ausstellung "Campus 2.0", einen weiteren Schwerpunkt, der heuer auf der Auseinandersetzung mit dem traditionellen Handwerk liegt.

Das Gesamtprogramm ist unter www.aec.at abrufbar.

Total überwacht? Satellitenbilder wie diese lassen es vermuten. (AEC)


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