Salzburger Nachrichten am 17. Februar 2006 - Bereich: Kultur
Lauter Filetstücke der Moderne Die Sammlung Essl in
Klosterneuburg prunkt mit ihren Beständen. Ein Jahrhundert österreichische
Kunstgeschichte passiert eigenwillig Revue.
ERnst P. StroblWien (SN). Einen so großzügigen Griff in die Schätze des
Depots wie für die neue Ausstellung hat der Sammler Karlheinz Essl noch
nie gemacht. In der Schau "Österreich: 1900-2000/Konfrontationen und
Kontinuitäten" kann man Arbeiten von 111 Künstlern begegnen. Zugleich
gestaltet sich der Rundgang durch das Essl-Museum in Klosterneuburg wie
eine Zeitreise, die 105 Jahre österreichische Kunstgeschichte
umspannt. Mit Wieland Schmied hat Essl einen Kurator gefunden, der sich wie kaum
ein anderer mit der österreichischen Kunstentwicklung auseinander gesetzt
hat. Er durchmisst die Jahrzehnte mit einer repräsentativen Auswahl. Bei
den jüngsten Entwicklungen überließ er der Kuratorin Silvie Aigner das
Feld. Sie bestückt die Ausstellung mit Sammlungsbeständen, die sozusagen
noch den Geruch frischer Farbe tragen, so neu sind sie. Dazu zählen - den
Sammlerintentionen gemäß - Tafelbilder und Fotoarbeiten von Künstlerinnen
wie Martina Steckholzer und Carola Dertnig, Barbara Holub oder Bianca
Regl, aber auch Skulpturen wie die Silikonarbeiten von Judith P. Fischer
oder Trinkhalmgebilde von Katarina Schmidl. Aus dem Jahr 2003 stammt die witzige Arbeit "Sammler - Saliera II",
eine "Seipliera" von Ronald Kodritsch, der seinem goldglänzenden Salzfass
eine Videoarbeit beigesellt, der man lauschen sollte. Das beginnende 21. Jahrhundert vertreten weiter Martin Schnur, Eva
Wagner oder Michael Kos, ein makabres Gefühl beschleicht einen bei Heiko
Bressniks "Menschenknochen", deren Grundlage ebensolche sein sollen. Neue
Medien wurden nur ansatzweise integriert. Wieland Schmied hat der besseren Erfahrbarkeit wegen seine Auswahl in
Abteilungen angelegt. Sie zeigen viele Künstler, die Österreichs Ruf in
der Welt gewichtig vertreten und vielfach mit Pionierarbeiten Revolutionen
vorantrieben. Wie Karlheinz Essl am Donnerstag sagte, hätten sich die größten
Umbrüche der Kunstgeschichte im 20. Jahrhundert vollzogen. Es lag nahe,
den österreichischen Anteil näher zu betrachten und hervorzukehren. Die
Linie der "Kontinuitäten" reicht vom Expressionismus bis ins Abstrakte,
vertreten wird sie von Richard Gerstl, Herbert Boeckl oder Josef Mikl. Ein
Vergleich mit "Körperkunst" kann auch gezogen werden, Egon Schiele und
Hermann Nitsch sind prominent präsentiert. Letzterer wird sogar von einer
Komposition von Karlheinz Essl jun. bei seinem Orgien-Mysterien-Theater
"unterstützt". Dass die Aktionisten wie Günther Brus ebenfalls ein
Unruhezentrum bilden, erfüllt die Erwartungen an die Ausstellung. Und die
Wiener Werkstätte oder der Phantastische Realismus mit hervorragenden
Beispielen zeigen, dass Kunst durchaus schlicht nur "schön" sein kann.
Info: Bis 21. 5., www.sammlung-essl.at |