Salzburger Nachrichten am 22. August 2003 - Bereich: kultur
Künstlerbücher entstehen

Sommerakademie: Ergiebige Illustrationsklasse

"Wort - Botschaft - Bild" nennt Miche`le Lemieux aus Kanada ihre Klasse an der Internationalen Sommerakademie für Bildende Kunst in Salzburg. Die 1955 geborene und in Montreal lebende Künstlerin ist Illustratorin und Autorin von siebzehn Büchern. 1996 veröffentlichte sie "Gewitternacht", ein poetisches Kunstwerk aus Texten und Zeichnungen, das mittlerweile in dreizehn Sprachen übersetzt wurde. Es handelt sich dabei um eine poetische Verdichtung von grundlegenden philosophischen Fragen des Menschseins, die für Kinder gleichermaßen faszinierend sind wie für Erwachsene.

Während der letzten beiden Jahre hat Miche`le Lemieux ausgehend von diesem Buch am "National Film Board of Canada" den berührenden Zeichentrickfilm "Nuit d'orage. Stormy Night" gedreht, dessen Kino- und Festivalstart unmittelbar bevorsteht. Heute, Freitag, geht der fünfwöchige Kurs auf der Festung Hohensalzburg zu Ende. "Die Arbeit war heuer sehr konzentriert und enorm fruchtbar", erzählt die Künstlerin. Die Ausbeute an Zeichnungen ist so groß wie nie zuvor. Für die zwölf Studierenden standen mehrere Geschichten zur Auswahl. Das Buch "City of Glass" von Paul Auster und verschiedene kleine Texte zu Liedern und Balladen von Joachim Rückert und Goethe wurden ebenso gerne gewählt wie "Der Mantel" von Gogol und Italo Calvinos Text "Der geteilte Visconte".

Diese Texte dienten als Ausgangspunkt für Künstlerbücher oder illustratorische Arbeiten. Als sehr positiv in der Klasse fällt auf, dass dieselben Texte eine sehr individuelle Umsetzung in Bilder erfahren haben.

Neben dem Zeichnen lernten die Studierenden auch vieles darüber, was es bedeutet, ein Buch zu machen. Die Bilder wurden den Textstellen zugeordnet, Zeichnungen gescannt, so dass sie digital verfügbar sind, ein Layout wurde entwickelt und einfache Ausdrucke gefertigt, die Blätter wurden gebunden und ein Bucheinband entworfen, so dass bei der Schlussausstellung heute, Freitag, auf der Festung jeder Studierende einen Prototyp seines Buches vorlegen kann.

Für die Dauer von fünf Wochen war das ein sehr arbeitsintensives Programm, das neben fachlichem Lernen immer auch viel persönliche und gruppendynamisch wertvolle Erfahrungen mit sich bringt.

ELISABETH RATH