Hoch oben, fast an der Decke des Raumes, ist es wohlig
warm und weich. Entspannt kann man sich gegen den schwammigen orangen,
grünen, blauen, pinkfarbenen Kunststoff lehnen, eingelullt von sphärischen
Klänge und wechselnden Farbspielen. Im Herzen der Ausstellung "Latente
Utopien" hat Andreas Thaler im Grazer Joanneum eine "Liquid
Lounge", ein flüssiges Wohnzimmer eingerichtet.
Nach dem Modell eines auf eine Wasserfläche
aufschlagenden Tropfens hat der österreichische Architekt bis an die Decke
eine regenbogenfarbene Arena eingebaut. Durchgehend aus einem an der
Oberfläche spiegelnd glatten, darunter angenehm weichen Kunststoffmaterial
- wie "gefrorenes Wasser", meint Thaler.
Star-Architektin Zaha Hadid hat für die große
Steirische Herbst-Ausstellung gemeinsam mit Patrik Schumacher 27
Architekten-Teams aufgefordert, ihre "latenten", also schlummernden,
Zukunftsvisionen aufzuwecken und in Graz zu präsentieren, darunter auch
vier österreichische Gruppen. Von diesen allen sind Coop Himmelb(l)lau
wohl die am längsten arrivierten Teilnehmer, "hip" und "angesagt"
dagegen viele jüngere.
Zwei Zugänge bietet die bunte Ausstellung: Entweder
streunt man angetrieben von intelligent geschürter Neugierde von einem
Raum in den nächsten - hell, abgedunkelt wechseln sich ab, es gibt überall
etwas zu entdecken, zu erleben. Ein Text als Labyrinth, knallige Objekte
zum hinein- und durchkriechen (von US-Designer Karim Rashid und
Propeller Z), interaktive Fußböden (AADRL). Ein solches
Flanieren bricht das Klischee einer Architektur-Schau mit sterilen
Modellen, Plänen, Computeranimationen.
"Latente Utopien" ein Kinderspielplatz? Spaß ist hier
nicht verboten, doch die Erwartungen an eine Utopie werden enttäuscht:
Zwar bemüht man sich anscheinend nach allen Computerkräften, utopische
Formen zu generieren, doch erschöpft sich das auffällig oft in der immer
gleichen glatten, gerundeten - organischen - Struktur. So kommt es etwa,
daß sich zwei bei der Schau gezeigte Entwürfe für das World Trade Center -
einer von Foreign Office Architects, der andere von Nox -
verwechselbar ähneln: Wie Tentakel winden sich schlanke Türme himmelwärts.
Privathäuser, Museen, Hallen schmiegen sich körperhaft in ihre Umgebung.
Auch die Innenräume und Möbeln scheinen zu schwingen.
Der Trick mit der Blase
Diese weichen, "soften" Linien - Softroom nennt
sich auch gleich eine britische Gruppe - können auf die Forschungen des
US-Architekturtheoretikers Greg Lynn zurückgeführt werden. Mit ihm
läßt Zaha Hadid auch die Ausstellung beginnen. Lynn - der soeben die
Meisterklasse von Hans Hollein an der Wiener Angewandten übernommen hat -
führte Computerprogramme, die Hollywood etwa für Special Effects
verwendet, in die Architekten-Ateliers ein. Und er fand auch den Namen für
die neue Grundform des Entwurfs: "Blob", Blase. Geschnürt, abgeschnitten,
gebläht und eingedellt ist sie ein beliebter Ausgangspunkt zur
Ideenfindung - man denke nur wenige Meter über das Joanneum hinaus an die
Plexiglas-Hülle des Grazer Kunsthauses, das derzeit am Murufer im Bau ist.
Die Zukunft der Architektur: eine Blase? Im Moment
scheint man sich - wie auch lange Zeit im Bereich Design, als etwa eine
Autokarosserie eben rund zu sein hatte - an der relativ neuen Technik zu
proben. Bis man sie verinnerlicht hat und der "Blob" auch wirklich in die
Zukunft weist, wird diese wohl noch ein Stück näher kommen müssen.
So wölbt es sich in der Architektur derzeit also heftig.
Der seit Jahren theoretisch brodelnde Richtungsstreit "blob" gegen
klassische "box" scheint - wenigstens im Steirischen Herbst - klar
entschieden zu sein.
Bis 2. März; Di. bis So. 10 bis 18 Uhr, Do. 10 bis
20 Uhr.
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