http://www.nachrichten.at/nachrichten/ooen.asp?id=315925
Viele Nitsch-Facetten
Katholiken und Kunstkennern ist die Darstellung
sicher präsent: Jesus mit der Dornenkrone auf dem gesenkten Haupt.
Mit gebundenen Händen und dem Purpurmantel über den Schultern dem
Spott und Hohn der rasenden Menge preisgegeben.
Der
österreichische Aktionist Hermann Nitsch hat religiöse Themen (im
weiteren und engeren Sinn) zum Zentrum seiner spannungsreichen
künstlerischen Arbeit gemacht. Der Dornengekrönte bildet nun die
Basis für eine Serie von Farbradierungen, die bei einer
umfangreichen Nitsch-Präsentation in der Galerie 422 exklusiv
angeboten werden. Die Interpretation dieses bekannten biblischen
Themas durch Hermann Nitsch weist den Künstler nicht nur als einen
hervorragenden Zeichner aus, sondern ist zudem das beste Beispiel
für seine Virtuosität im Auslegen symbolischer Fährten.
Als
hätten die Misshandlungen das Innerste nach außen gekehrt, reduziert
Nitsch die Darstellung des gemarterten Christus auf Muskelfasern,
auf Aderbahnen, auf stilisierte Organe, auf wild wucherndes
Darmgeschlinge. Das geschundene Häufchen Mensch, dessen grandioser
spiritueller Ausstrahlung diese körperliche Tortur trotzdem nichts
anhaben konnte.
"Farbradierung, o.T." steht unter den
Unikatdrucken unterschiedlicher Farbgebung. Und das "o.T.", das
eigentlich schlicht "ohne Titel" heißen soll, wird in der immensen
Dichte dieser Ausstellung radikal umgewandelt zur "orgiastischen
Todesüberwindung". Zur puren Energie, die jede Bündelung in der
Fleischlichkeit längst überwunden hat.
Diese Serie, deren
zeichnerische Potenz eine frappierende Dreidimensionalität
vermittelt, ist der Kernpunkt einer Präsentation, die viele
Nitsch-Facetten beeindruckend auffächert: von frühen Schüttbildern,
Lithografien und Dokumentationen bis herauf zu Aktionsrelikten aus
dem Jahr 2002. In ihrer Fülle und ihrem Abwechslungsreichtum ist
diese Ausstellung auch ideal für all jene, die der Arbeit von Nitsch
erstmals begegnen.
Galerie 422, Gmunden, bis 15.
September; Subskriptionspreis der Farbradierung: 750 Euro
|