Filigranes Schwergewicht
Klangpavillon.Francesca Habsburgs Stiftung stellte ein begehbares Kunstwerk auf den Wiener Schwarzenbergplatz.
ERNST P. STROBL Wien (SN). Just an ihrem Geburtstag lud gestern, Dienstag, die Kuratorin, Kunstsammlerin und Mäzenin Francesca Habsburg zur Eröffnung eines ambitionierten Projekts. Für sechs Monate hat „The Morning Line“ in Wien Aufstellung genommen, am geschichtsträchtigen – und verkehrsumfluteten – Platz vor dem Russendenkmal. Die schwarze Skulptur ist ein merkwürdiges Gebilde, erinnert einerseits an futuristische Lebewesen, andererseits an Scherenschnitte, zu kristallinen Konstruktionen zusammengeschraubt. Trotz des Gewichts von rund 20 Tonnen wirkt das 20 Meter lange und acht Meter hohe Alukonstrukt leicht und luftig. Es wurde vom New Yorker Künstler Matthew Ritchie gemeinsam mit den Architekten Aranda/Lasch entwickelt und bietet allerlei Überraschungen.
Das Kunstwerk ist für eine weite Wanderschaft konzipiert und Reisen und außergewöhnliche Umgebung gewohnt. 2008 in Sevilla stand „The Morning Line“ bei seinem Erstauftritt bei der Biennale für zeitgenössische Kunst vor dem Kartäuserkloster, 2010 erregte die Skulptur anlässlich des Kulturhauptstadtjahres in Istanbul am frequentierten Eminöu-Platz Aufsehen. Nur waren die Kuppeln im Hintergrund nicht von einem Kloster, sondern von einer Moschee. In Wien bilden der Hochstrahlbrunnen und die aufragende Siegessäule eine schöne, jedenfalls geschichtsträchtige Kulisse.
Bis 20. November steht der von der „Thyssen-Bornemisza Art Contemporary“ (T-B A21) errichtete „Antipavillon“, wie ihn Francesca Habsburg nennt, nun auf dem Schwarzenbergplatz, gleich in den ersten vier Tagen (bis Samstag) gibt es jeweils ab 19 Uhr ein Soundfestival. Auch an diesem dritten Standort hat T-B A21 einen Kurator engagiert, der österreichische Musiker und Soundtüftler Franz Pomassl hat zehn Kollegen wie Christian Fennesz (Österreich), Tommi Grönlund und Petteri Nisunen (Finnland), Carsten Nicolai (Deutschland) oder Alexei Borisov (Russland) mit neuen Tonarbeiten beauftragt, die beim viertägigen Festival für zeitgenössische Komposition aufgeführt werden. Sie erweitern damit das mittlerweile 28 Beiträge internationaler Tonkünstler umfassende Archiv. 50 kleine Boxen, die in der ornamentalen Struktur eingearbeitet seien, ließen im Inneren des filigranen Pavillons ein „paralleles Universum“ entstehen, wie Francesca Habsburg sagt. Ihr Anliegen sei es, Künste integrativ zusammenzuführen. Sie habe sich immer schon „für Kunst interessiert, die die Grenzen traditioneller Kunstsparten einreißt“.
Ergänzend wird heute, Mittwoch, und morgen, Donnerstag, ein Symposion durchgeführt unter dem Titel „The Morning Line – zwischen Architektur, Wissenschaft und Sound“. Dass die Aufstellung der Skulptur nicht ohne langwierige Behördenwege vonstatten gegangen sei, betonte am Dienstag Wiens Vizebürgermeisterin und Stadträtin für Stadtentwicklung, Maria Vassilakou. Die Grüne und die Kunstmäzenin überschütteten einander förmlich mit gegenseitiger Zuneigung.