Die Prozession der Lodenfüßler
Regionale 10. „Welten des Eigensinns“ offenbaren sich im Schloss Trautenfels: Würmer aus Menschen, Kreisverkehre und alpine Altäre.
MARTIN BEHR tRAUTENFELS (SN). „Burning Love“ muss nicht immer etwas mit Elvis zu tun haben. Auch der Schweizer Künstler Christian Philipp Müller nennt sein für die Ausstellung „Der schaffende Mensch – Welten des Eigensinns“ im obersteirischen Schloss Trautenfels konzipiertes Projekt „Burning Love“, fügt allerdings noch in der runden Klammer eine Ergänzung hinzu: „Lodenfüßler“. Für eine Videoaktion steckte Müller 20 Personen in ein 50 Meter langes wollweißes Lodenband. Der so entstandene Lodenwurm musste sich vom Ort der Stofferzeugung (Ramsau) zum Ausstellungsort Trautenfels bewegen. Rund 42 Kilometer. Marathondistanz also. Stur in der Gemeinschaft Eine Performance? Eine Parade? Eine Prozession? Christian Philipp Müller thematisiert mit seinem gigantischen Wetterfleck ein in der Region traditionsreiches – über 500 Jahre altes – Handwerk: Ein Stoff, aus dem (auch) Kunst werden kann. Müllers Projekt ist Teil der von Adam Budak kuratierten Regionale-10-Schau „Der schaffende Mensch – Welten des Eigensinns“. Eigensinn? „Jenes beschwerliche Territorium, auf dem Gemeinschaft und Zusammengehörigkeitsempfinden mit der Sturheit der Singularität und des selbstzentrierten Universums kämpfen“, sagt Budak. Maria Papadimitriou errichtet aus Felsbrocken des Grimmings sowie lieblichen Schaffiguren alpine Altäre und dokumentiert auf Video den Ennstaler Schafbauerntag. Möglicherweise um den steirischen Donnergott gnädig zu stimmen. Katerina Seda ließ mehr als 200 Einheimische mit verbundenen Augen einen geplanten Megakreisverkehr zeichnen, der Trautenfels noch verkehrstüchtiger machen soll. Angeblich.
Die Bildersammlung wird so zu einer Art kreativer Petition, noch einmal über die Sinnhaftigkeit des Bauprojekts nachzudenken. Franz Kapfer wiederum geht in seinem Projekt „Sieh-Dich-Für“ auf die Abschottungstendenzen der Einfamilienhausbesitzer mit Thujen und anderen „natürlichen Zäunen“ ein. Dass seine skulpturalen Objekte nicht nur an mysteriös-dunkle „Lebensbäume“, sondern auch an die Naziwunderwaffe V2 erinnern sollen, lässt sich vor allem so erklären: ausgeprägter Eigensinn. (Bis 31. 10.)