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Galerie Meyer Kainer: Dekadent verrottet

02.01.2010 | 18:17 |  (Die Presse)

In der Galerie Meyer Kainer bieten uns Gelitin eine groteske Freitreppe an, die schwindlig macht.

Immer wieder schaffen sie es, uns körperlich herauszufordern und mit ihrer Trash-Optik kindlich zu erstaunen: Die Künstlergruppe Gelitin (in rosa Vorzeit einmal Gelatin) hat uns in ihrer Wiener Galerie einen Aufstieg bereitet, den man so rasch nicht vergisst. Auf geschätzte fünf, sechs Meter schwingt sich in der Halle eine ausladende Prunktreppe empor. Sie ist völlig aus Gerümpel gezimmert, aus alten Kästen, Bänken, Tischen, so als hätten sie die gutbürgerliche Wohnung der Großmutter zerlegt und zu Höherem geschichtet. „Palais Keiner Meyer“ nennen sie die Installation in Anspielung auf das Palais Eschenbach, in dem ihre Galerie „Meyer Kainer“ untergebracht ist.

Liegt unter dem barocken Wiener Pomp denn nur bürgerliches Aufsteigertum, Karrierismus? Mehr darstellen zu wollen, als man ist – eine typisch wienerische Angewohnheit? Mitnichten. Jedenfalls führt die Gerümpeltreppe ins verdiente Nichts, sie endet in schwindliger Höhe an der nackten Wand, führt auf der anderen Seite einfach wieder hinunter.

Um diese Schleife zu schaffen, muss man allerdings gute Nerven haben, denn knarrt und ächzt das Konstrukt beim Beschreiten vielleicht weniger, als man bei Betrachtung des luftigen Unterbaus vermuten könnte, stärkt doch kein Geländer zumindest symbolisch die weichen Knie. Also doch lieber unten sitzen, sich einfügen ins Gerümpel, auf einer alten Bank voll Wachstropfen. Sie fielen vom mächtigen, krakenhaften Luster herab, ebenfalls aus alten Bughölzern und Spazierstöcken geformt. An seinen Enden prangen dicke schwarze Kerzen. Leicht könnte er seine Tentakel ausstrecken zu denen, die sich auf die Treppe wagen... Zwischen die flachen Stufen aus Sesselflächen oder Schranktüren, zwischen all die bürgerliche Kultur, hat sich aber auch die Natur eingeschlichen, immer wieder quellen rohe Äste heraus, haben sich welche im Möbelgerüst verkeilt – böse Geschichten aus dem Wienerwald gar?

Jedenfalls eine eindrucksvolle Wien-Begehung, die in ihrer dekadenten Verrottung zur Zeit nur Gelitin zusammenbringt. sp

Bis 16.1. 2010, Eschenbachgasse 9, Wien 1, Dienstag bis Freitag 11 bis 18Uhr, Samstag 11 bis 15 Uhr.


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