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Kunstberichte
Ausstellung: Young & Reckless 10:

Der tanzende Denkmalpfleger

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Aufzählung Wer Denkmalpflege so eigenwillig auffasst wie Marko Lulic, kommt zu einem Skulpturbegriff, der in der Gegenwartskunst gerade heftig diskutiert wird. Als Nummer zehn der Ausstellungs-Serie "Young & Reckless" nimmt der Künstler mit seiner körperbewussten Arbeit aber auch Bezug auf die Vergangenheit des "Bawag Contemporary", das einst ein Tanz-Café war.

Im vor Ort aufgenommenen Video "Exhaustion" tanzt Lulic an die vier Stunden – bis zur Erschöpfung. Das Abrutschen ins Lächerliche, das Scheitern als Tänzer sind Teil seines Konzepts, das Posen entlarven und Ideologien aufspüren will. Von Letzteren ist auch der Kunstbetrieb betroffen – damit sind es die Räume, die Lulic betanzt.

Turnen in der Skulptur

Auch die Vordenker der klassischen Moderne waren in Ideologien verstrickt. Doch Lulic’ Kritik daran soll nicht belehrend ausfallen, sondern – mit wissenschaftlichen Recherchen im Hintergrund – wie eine Übersetzung einstiger Gedanken ins Heute funktionieren. Sichtbar thematisiert er in "Reactivation (Circulation in Space) 2002/2009" die Wechselwirkung zwischen Körper und Skulptur im öffentlichen Raum. Das Video zeigt den Künstler vor dem Museum für Gegenwartskunst in Belgrad in einer Performance: Er windet seinen Körper durch die abstrakte Skulptur "Zirkulation im Raum" von Vojin Bakiæ, will deren Titel verständlich machen – und tut es mit sehr viel Ironie.

Die Metasprachspiele des Künstlers sind besonders im Video "Space-Girl Dance 2009" erfassbar. Hier ließ Lulic von einer Tänzerin und zwei Tänzern die Choreografie eines Video-Clips von Raquel Welch nachstellen. Hatte die US-Schauspielerin 1968 in Mexiko City im Skulpturenpark "Route of Friendship" gedreht, wählt Lulic den privaten Skulpturengarten des deutschen Künstlers Erich Hauser in Rottweil. Der erst kürzlich verstorbene Bildhauer war Beiträger der ersten Documenta-Ausstellungen, und Lulic hat heuer von Hausers Stiftung einen Preis bekommen.

In Lulic’ Video lässt sich die Weltraum-Mode der 60er ebenso anhand der Metallskulpturen wie der neuen Kostüme nachvollziehen. Hier wird einstmals Modernes lustvoll reanimiert, zugleich auf ein künstlerisches Schamanentum angespielt. Und trotz Freilegung unterbewusster Schichten will Lulic – als Jahrgang 1972 – sicher kein neuer Joseph Beuys sein.

Aufzählung Ausstellung
Young & Reckless 10:
Marko Lulic
Bawag Contemporary
6., Barnabitengasse 11-13
bis 4. Oktober

Printausgabe vom Donnerstag, 03. September 2009

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