Salzburger Nachrichten am 31. Juli 2006 - Bereich: Kultur
Süße Härte statt Fruchtbarkeit

Christoph Schlingensiefs Animatograph für und über Salzburg HEDWIG KAINBERGER

Hedwig Kainberger Salzburg (SN). Das Leben, wie Christoph Schlingensief es in einem Animatographen festhält, ist nicht sauber, geruchs- und spurlos. Die ersten Besucher dieser Installation im obersten Stockwerk des Salzburger Museums der Moderne auf dem Mönchsberg hinterließen am Samstag auf der kahlen Betonstiege viele Erdpatzen. Wer den Raum mit dem Animatographen betritt, rümpft die Nase - so riechen vermutlich rohe Eier, die seit vielen Stunden aufgeschlagen sind.

Links vom Eingang ist eine Nische aus beschmierten Brettern. Was steht da hinten im Finstern, beworfen mit weißen Federn eines gerupften Viehs? Ach, ein Betschemel! Er ist verdreckt, als verkomme er seit Jahrzehnten. Das ist ein witziger und zugleich weiser Beginn für diese ironisch verspielte, sarkastische Kritik auf die erzbischöfliche Mozartstadt Salzburg.

Man könnte den Animatographen als wertloses, bekritzeltes, dort und da obszönes, irgendwie angehäuftes, dreckiges Zeug abtun. Wer sich allerdings von Christoph Schlingensief einmal ein Lachen entlocken hat lassen, der mag - derart befreit - sich von den unzähligen Dingen, Sprüchen, Bildern und Filmen zu Assoziationen verleiteten lassen: von frischen Eiern (österliche Zeichen der Fruchtbarkeit) und Hoden (in Umgangssprache "Eier" genannt) zu Mozartkugeln als Symbole für das, was Geschäft - und Leben? - in Salzburg ausmacht, also süß, hart, leblos. Auch Hasen, uralte Symbole für Fruchtbarkeit und neues Leben, stehen als degenerierte schokoladige Massenware herum, einige sind arg verdreckt.

Christoph Schlingensief ist, wie man weiß, nicht zimperlich. Erwartungsgemäß fehlt nicht der Mann mit Hakenkreuz am Oberarm. Eigens für Salzburg hat er mit seinem Team kleine Videos angefertigt, die durch winzige Löcher zu sehen sind. Eines heißt "Siemens>Festspiel>Nächte": Das ist eine dicke, braune, süße Masse, die dadurch entsteht, dass zwei Schauspieler mit weißen Perücken in einen Mixer Mozartkugeln samt Folie, rohe Eier samt Schale, Notenblätter und Plastikmozarts werfen.