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30.06.2005 - Kultur&Medien / Ausstellung
Kunsthalle Pressburg: Nichts Stabiles in der alten Fabrik
VON JOHANNA HOFLEITNER
"Tranzit-Werkstätten" sollen die Bildende Kunst beleben.

Erwarten würde wohl kein Besucher von Bratislava, dass sich an der Peri pherie, noch hinter der Soravia schen Shopping-City und fast schon an der Au, ein Kunstzentrum befindet. Aber die Hauptstadt der Slowakei ist anders. Zwar gibt es dort seit langem eine lebendige Künstlerszene, doch abgesehen vom mutigen "Space" der Galerie Priestor existiert für zeitgenössische bildende Kunst kaum eine Infrastruktur, zumal seit der in den Neunzigerjahren gefasste Plan einer Kunsthalle mitten im Zentrum mangels politischen Interesses eingeschlafen ist.

Die Initialzündung für das "Tranzit-Werkstätten" genannte Kunstzentrum erfolgte dann vor gut einem Jahr. Im Rahmen ihres Kulturförderprogramms "Tranzit" stellt die österreichische Erste Bank seit 2003 Mittel zur Verfügung, mit Hilfe derer in den neuen EU-Mitgliedsländern die Professionalisierung der Kunstszene gestützt werden soll. Den Anfang nahm "Tranzit" in Tschechien, die Slowakei folgte nach. Zentrales Sponsorprinzip: Die Verwendung der bereitgestellten Geldmittel bleibt zur Gänze den nationalen Tranzit-Plattformen überlassen.

In drei Monaten hat das kleine Team um Boris Ondreicka, Leiter der slowakischen Plattform, die Baracken auf dem Gelände eines aufgelassenen Schotterwerks im Norden Bratislavas adaptiert. Die Mittel dafür waren einfach Dutzende Quadratmeter Pressspan-Platten, viel weiße Farbe, Präzision und ein exzellentes Gespür für den charmanten Grundcharakter der alten Fabrik. Seit einem halben Jahr läuft nun im größten der vier Gebäude der Ausstellungsbetrieb, in den umliegenden Gebäuden sind Künstlerwerkstätten untergebracht, Café und Bibliothek sind geplant.

Dass das neue Zentrum so weit draußen ist, stört Ondreicka, der als bildender Künstler gerade im Slowakischen Pavillon an der Venedig-Biennale ausstellt, nicht. Nicht einmal die bislang schwache Publicity ärgert ihn. "Das hier ist ein Ersatzort", spielt er auf die gescheiterten Kunsthallen-Pläne an. "Die Partei-Bürokraten sollen uns jetzt in Ruhe arbeiten lassen. Wir wollen auch keine große Publicity, die nur große Erwartungen schafft." Ganz bewusst will man auch nichts Stabiles produzieren. Entsprechend wurde der Name ausgesucht: "Dielne" steht da auf dem großen Schild neben dem Eingangsportal, auf Deutsch "Werkstätten". Soeben wurde hier die dritte Ausstellung "Narrow Focus" eröffnet. 15 international anerkannte künstlerische Positionen hat der Prager Kurator und Kunsthistoriker Vít Havránek zu einer durch Subtilität überzeugenden Group-Show zusammengeführt. Das Verhältnis zwischen westlichen und östlichen Künstlern ist ausgewogen. Medial sind Videos, Textarbeiten und Objekte in der Überzahl, Malerei spielt praktisch keine Rolle.

Was die 15 Künstler verbindet, ist die Umkreisung des Persönlichen. Da zeigt etwa Stano Filko, einziger Künstler der älteren Generation und wichtige Referenzfigur der slowakischen Szene, Kugelschreiberzeichnungen mit Erinnerungen an 67 Lebensjahre. Die Gruppe Brody/Freso/Skála/
Simera knallt ein Graffiti an die Wand. Der Schotte Alan Currall sendet in einem Video warmherzige "Nachrichten an den besten Freund". Omer Fast aus Israel fügt aufgezeichnete CNN-Nachrichten in 10.000 Schnitten zu einem neuen autobiografischen Text zusammen. Einen starken Hinweis auf die Politisierung des Persönlichen gibt schließlich die Dänin Lise Harlev: Sie artikuliert Sätze des Widerstandes gegen politische Vereinnahmung - und malt diese just auf Schilder, wie man sie von Demos kennt: Ein Bekenntnis zur Dissidentenbewegung als Teil der europäischen Geschichte, vorgebracht an einem neuralgischen Ort.

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