Karikaturmuseum Krems: "Dick und dünn"
XXXH: Extraextraextrahungrig
Von Claudia Aigner
Wir schreiben, sagen wir, das Jahr 2010. Bei einer
routinemäßigen Verkehrskontrolle: Einem Fahrzeuglenker, dessen Atem
("Hauchen S' mich amal an!") so verdächtig nach Cholesterin riecht, wird
sofort der Magen ausgepumpt. Und Personen, die hinterm Lenkrad in
übergewichtigem Zustand aufgegriffen werden, müssen sowieso ins Röhrl
brechen (um das Herzinfarktrisiko am Steuer zu minimieren). Die mobile
Eingreiftruppe "Fett-ex" führt derweil Razzien am Würstelstand durch:
Wurstkonsumenten, die einen Bodymaßindex von mehr als 20 aufweisen, denen
werden die Würschtel zu ihrem eigenen Schutz abgenommen. Nun ja, meine
Zukunftsprognose ist zugegebenermaßen ein bissl eigenmächtig. Abwegig ist
sie aber nicht. Denn der Speck muss auch in der Zukunft weg. Der
Völlerei (im Mittelalter bekanntlich eine der sieben Todsünden) und ihrem
unscheinbaren Gegenteil (das mit jeder Diät noch unscheinbarer wird) hat
sich noch bis 15. September das Karikaturmuseum in Krems verschrieben:
"Dick und dünn. Körperbilder und Schönheitsideale in der Karikatur." Über
100 Originalgrafiken, die wieder einmal zeigen, dass auch bei den
Karikaturisten gute Zeichner daheim sind, haben für jeden
Nahrungsaufnahmetyp etwas in petto. Ob man nun eher das Völlegefühl
bevorzugt oder lieber der Hungerkatastrophe namens Kate Moss nachhungert.
Kate Moss ist jener Typ, der - das ist jetzt meine Interpretation - beim
Morgenkaffee die Eckerln vom Frühstückssemmerl wie Margeritenblätter
abreißt ("Ich darf nicht, ich darf, ich darf nicht . . ."), um irgendwann
in die Konfektionsgröße XXXH (extraextraextrahungrig) aus der
stoffsparenden Kollektion "Äthiopien" hineinzupassen. Gleich vorweg
ein Trost für all jene, die ein Verdauungsproblem haben, nämlich
blöderweise alles verdauen, was sie schlucken: "Die Dicken leben zwar
kürzer, aber sie essen länger" (Stanislaw Jerzy Lec). Wolf Barth hat diese
Weisheit mit einem Dickerle illustriert, das an einem langen,
nahrungsreichen Tisch tafelt (dessen Essen folglich Überlänge hat). Am
Ende stehen freilich die Medikamente, die dem Essenssünder wohl auch nicht
mehr die Absolution erteilen werden können. Aber vielleicht hilft da ja
eine radikale Umstellung der Stoffwechselgewohnheiten: Rudi Kleins "Mehr
Koten als Essen"-Diät. Die funktioniert eventuell nach dem Prinzip, jede
Schlachtplatte mit überhöhter Geschwindigkeit (ohne Zwischenstopp im
Magen) aus dem Körper wieder hinauszukomplimentieren. Die Fressorgie muss
die Kurven im Darm also so rasant nehmen wie Michael Schumacher die Kurven
von Monte Carlo. Apropos Kurven: So etwas hat die Venus von Willendorf
ja auch (möglicherweise die "Barbiepuppe der Steinzeit"), die entweder
sehr fruchtbar ist oder sehr satt. Oder ein Opfer ihrer Schilddrüse. Das
Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Wien hat ein Exemplar
von der Venus liebevoll aus rosa Plüsch gebastelt. Eine kuschelige
Knuddelfrau, die mir sehr sympathisch ist. Und Peter Gut lässt einen
Schwimmer im Meerbusen von Malibu absaufen (der "Meerbusen" gehört einer
gewissen Pamela). Der Ertrinkende ist also gerade dabei, an einer
Überdosis Dekolletee zu sterben. Voraussichtliche Todesursache: Silikon in
der Lunge. Man ist, wie man isst: Bei Gradimir Smudja hauen sich ein
paar echte Schweindln "kultiviert" in die Botanik (nach dem Vorbild von
Edouard Manets "Frühstück im Grünen"). Folgen dabei aber ihrer
Stallorder, konkret: der Schweinestallorder. "Versauen" also die Natur mit
ihren Abfällen. Wenn Schweine, die hier sowohl zoologisch als auch
esskulturell Schweindln sind, "auf Tischmanieren machen", ist das ja
wirklich komisch. Hunger ist der beste Weight Watcher: Auch Humor kann
einen todernsten Hintergrund haben. Etwa wenn die perverse
Kalorienverteilung auf der Welt aufs Korn genommen wird.
Körperfetttransfer von der ersten in die dritte Welt: Nicht dass die
Gruppe "Schönheitschirurgen ohne Grenzen" unser abgesaugtes Fett den
Afrikanern hineinspritzen würde. Nein. Bei Gerhard Haderer (der ist fast
so gut wie der Deix, meistens) fliegt vielmehr ein Herr Hanns-Erwin Mielke
im Vollbesitz seiner Fettzellen nach Afrika, um vor den Hungernden einen
Weltrekord zu versuchen: 231 Portionen Bananensplit nonstop zu verjausnen.
Auch wenn Humor natürlich eine Frage dessen ist, wie bei jemandem das
Zwerchfell gebaut ist (und ob man die Pointe verstanden hat, was mir bei
den kommentarlos hingehängten älteren Blättern nicht immer geglückt ist),
gebe ich dieser Ausstellung getrost vier von fünf möglichen
Empfehlungs-Lachern. Ha ha ha ha.
Erschienen am: 03.09.2002 |
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