Der Erste Weltkrieg hat gerade erst begonnen, aber Ludwig
Meidner muß bereits den Tod eines Dichterfreunds beklagen. Im Oktober 1914
zeichnet er sich selbst im Dresdner Café König, einem Literaten- und
Künstlertreffpunkt - stirnrunzelnd, besorgt hinter einer Zeitung
hervorlugend, rundum viel Bewegung.
Wie andere seiner Künstler-Generation ahnt er voraus, was
den vermeintlich sicheren Boden ins Wanken bringen sollte. 1913 entsteht
das berstende "Eckhaus", zeugen "Apokalyptische Landschaften" vom nahenden
Beben. Schreckerfüllt irren Menschen im selben Jahr durch "Dresden
Blasewitz".
Meidner, hierzulande bisher wohl kaum bekannt, hatte 1912
eine Künstlergruppe, "Die Pathetiker", mitbegründet, unterhielt Kontakt zu
"Brücke"-Malern und war zeitlebens auch ein Schreiber. Seine
autobiographischen, 1918 erschienenen Texte "Im Nacken das Sternenmeer"
verleihen der Wiener Ausstellung die Leitmelodie. Angefangen hatte er nach
Prägungen in Paris und Berlin relativ harmlos, aber 1913 gelangte er zu
seinem Interieurs und Stadtszenen zur Explosion bringenden
exklamatorischem Stil.
Porträtist der Kollegen
Bald nach Kriegsende beruhigt sich das Tumultuarische,
Flackernde seiner Bilder. Was Meidner im Zusammenhang mit seiner
Rückfindung zu einem gläubigen Judentum entwickelt, steht hinter dem
Vorangegangenen zurück.
Der Künstler war aber auch ein Chronist seiner Zeit, als
Porträtist zahlreicher Generationsgenossen - unter ihnen finden sich Paul
Westheim, Theodor Däubler, Max Tau, Lotte Lenya und Franz Werfel. Etwa
drei Viertel seines druckgraphischen (vor allem radierten) Werks gelten
den Physiognomien seiner Freunde und Kollegen.
Eine Reihe von Selbstporträts läßt den Weg des Künstlers
von einer heftigen, zerrissenen, zuckenden Mimik bis zur Rolle des
Betenden oder verkleideten Propheten erkennen. Trotz aller Mäßigung, der
Rückkehr zu einem orthodoxen Vorgehen als Maler und Zeichner, wird Meidner
als "entartet" angesehen, muß 1939 nach England fliehen, wo er sich nicht
wohl fühlt. Weshalb er 1953 - auch seiner Verbindung zur Sprache wegen -
nach Deutschland zurückkehrt. Seine Rolle aber war längst ausgespielt.
Bis 2. Jänner 2002, So. bis Fr. 10-18, Do. bis 20 Uhr.
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