Kein Sugo in den Adern
Von Claudia Aigner
Stimmt es, dass Putzfrauen, die in einem Kino sauber machen
sollen, in dem gerade ein Film von John Waters gelaufen ist, vorsorglich
streiken (weil an der Kinokasse nie Speibsackerln ausgegeben werden)?
Nein. Obwohl zartbesaitete Mägen sicher in Erwägung ziehen würden, ein
solches Sackerl zu konsultieren. Jedenfalls, wenn bei John Waters (wie bei
seiner "Übung in schlechtem Geschmack" namens "Pink Flamingos") das Essen
auf der Straße liegt (nämlich Hundstrümmerln) und der deftige
Undergroundfilmer diesem Essen einen zweiten Durchgang durch den
Verdauungstrakt gewährt. In der Galerie Kargl (Schleifmühlgasse 5)
zeigt John Waters, der "Heilige Vater der Trivialität", noch bis 31. Juli,
dass er auch dann geschmacklos, grell, abartig (und mitunter begnadet
komisch) sein kann, wenn er Standfotos aus Filmen aneinander reiht und für
jede Fotosequenz mindestens eine Pointe oder einen Schockeffekt übrig hat.
"Sophia Loren geköpft": Da schneidet er wie ein psychopathischer Fan den
Kopf der Loren aus allen Fotos heraus. Aber bei der Filmdiva, in deren
Adern kein träges Sugo fließt, sondern das Temperament der Pizza Diavolo,
kommt es ja vielleicht eh nicht so aufs Köpfchen an, sondern auf den
kleinsten gemeinsamen Nenner von MM, BB und Sophia Loren, der ungefähr bei
75DD liegt. Und über den auch Jayne Mansfield verfügt, die "Sirene in
Blond", bei deren Anblick offenbar jede Dioptrienstärke zerspringt (ein
netter Gag, neben die Oberweitengöttin einen Mann mit zerbrochenen
Brillengläsern zu hängen). Für "Face Lift" hat Waters zwar nicht
Norman Bates als Schönheitschirurgen engagiert, die Frau, die so ungustiös
ihr Gesicht "festzurren" lässt, ist am Ende dann aber John Waters (der
zumindest auf dem letzten Foto zu sehen ist): der Mann mit jenem schmalen
Schnurrbart, der genauso gut eine Augenbraue von Marlene Dietrich oder
Jean Harlow sein könnte. Waters will damit aber nicht sagen, dass er
einmal die Dietrich gewesen wäre und beim Liftenlassen wäre ihm eben eine
Braue tiefer gerutscht. Roman Ondák ist so etwas wie ein Saboteur des
ganz banalen zivilisierten Lebens, der nichts dabei fand, das Gerippe
eines Zuhauses in ein Zimmer zu stellen, wo es dann in etwa so aussah wie
nach einem Termitenangriff und einem anschließenden Schwefelsäureattentat,
wo nämlich ein Sessel ohne Sitzfläche und Rückenlehne herumstand und eine
Waschmuschel dahing wie ein Magen ohne Speiseröhre und Darm (also ohne
Wasserhahn und Siphon). Einen Raum lässt er auch schon mal schrumpfen (als
wäre er beim Waschen eingegangen) und stellt ihn dann zwei Nummern kleiner
in den echten Raum hinein. In der Galerie Knoll (Esterházygasse 29)
geht es ihm jetzt noch bis morgen um die Frage: Kann man das Raumgefühl
65km weit "verschicken"? Dazu beschrieb er Bekannten aus Bratislava die
Wiener Galerie Knoll, die sich dann als Phantombildzeichner betätigten
(gewissermaßen waren nur ihre Ohren Augenzeugen). Nach den Zeichnungen zu
urteilen, ist Raumgefühl nicht verbal übertragbar. Ein origineller
"Irritationskünstler".
Erschienen am: 28.07.2000 |
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