Ausstellungen 
   
   
   

Wien:
Oliver Ressler: Nachhaltige Propaganda Kunstbero 1060

 
   
   

6. September bis 6. Oktober 2000

Die Berichterstattung über die Mega-Ausstellung war begeleitet vom allgemeinen Lamento über die Besucherzahlen. »Ich weiß nicht, ob die Expo ein Flop war, wenn statt der angestrebten 40 ›nur‹ 15 Millionen BesucherInnen gekommen sind«, sagt der Wiener Künstler Oliver Ressler, der sich in der Ausstellung »Nachhaltige Propaganda« mit der Ideologie dieser Weltausstellung beschäftigte. In unterschiedlichen Versionen war die Ausstellung in Nürnberg, Berlin und Frankfurt am Main zu sehen, bevor sie im kunstbuero 1060 Station machte. Eine in der Edition Selene, Wien, erschienene Publikation dokumentiert sowohl die Elemente der Ausstellung in den unterschiedlichen Räumen als auch das Medienecho auf das Projekt. »Eine absichtsvoll propagandistisch formulierte Kritik«, schrieben die »Nürnberger Nachrichten«, »streng ideologisierend«, mäkelte die »Berliner Morgenpost«. Resslers Zitatmontage bildet den formalen Kern seines Versuchs, sich mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinander zu setzen. Auf Fotos von 3-D-Abbildungen der in Hannover allgegenwärtigen Szenografien montiert er Zitate aus Expo-kritischer Literatur. »Auf der Expo 2000 kommt der ökonomischen Globalisierung der Status eines Naturgesetzes zu«, steht auf einer der Textcollagen. Zur Rahmung der Textsplitter hat Ressler die Fenster für die Fehlermeldungen im Macintosh-Betriebssystem gewählt. Metonymisch bezieht sich das auf seine Expo-Kritik insgesamt, denn in seinen Augen war die ganze Veranstaltung eine einzige gigantische Fehlermeldung. Hinter den biederen Videoscreenfassaden verbargen sich die Großmächte des Bösen: »Auch wenn sich die Leute nicht für Inhalte interessieren, bleiben nebenbei Sachen hängen. In der schönen Welt der Solarenergie steht dann das Modell eines Kernfusionsreaktors. Es wird Stimmung gemacht für bestimmte Technologien«, sagt Ressler im Interview.

In Video zu »Nachhaltige Propaganda« besinnt sich Ressler auf die Möglichkeiten des politischen Dokumentarfilms. Der Anti-Expo-Aktivist Jörg Bergstedt wettert gegen die »Werbeschau des Kapitalismus«. Dieser Mann mit Flaumbart und Siebzigerjahrebrille inmitten von Selbstbauregalen verströmt jenen spröden Charme des politischen Aktivismus, den Ressler selbst als offensives ästhetisches Verfahren einsetzt - und dabei mitunter auf Ablehnung stößt: Seine Ausstellung im Museum für Angewandte Kunst in Frankfurt am Main wurde nach drei Tagen begründungslos dichtgemacht, eine Zensurmaßnahme, die Justin Hoffmann in seinem Katalogbeitrag an die »Zustände in Diktaturen« erinnert. Ressler, dessen Container gegen Staatsrassismus vor der Wiener Staatsoper vor drei Jahren Diskussionen über das Verhältnis politisch engagierter Kunst zu einer aufklärungsmüden Öffentlichkeit auslöste, bedient sich jedoch nicht nur aus dem Lexikon plakativ-appellativer Rhetorik. Beinahe zärtlich an die porös gewordenen Außenwände des White Cube gemahnend, strich der Künstler grüne Pinselstriche über die Galeriewände. Der Beginn einer großen Übermalung? Ein melancholischer Ausflug in die tachistische Malerei? Irrtum: Die Pinselstriche markieren visuell weitere politische Slogans. »Green Capitalists« oder »›Green Consumer‹ Movement« ist zu lesen. Ressler spricht von »Green Washing«: Die Inhalte der Ökologiebewegung sind inzwischen Lifestyle-Bestandteile geworden und in die PR-Strategien der Techno-Unternehmen integriert, so dass sie die Funktion ideologischer Gleitmittel übernommen haben. Den übereinandergestapelten politischen Inhalten eignet dennoch eine Hermetik, die sehr persönlich wirkt. Das Match »Allein gegen die Welt« ist noch nicht verloren.

matthias dusini

 
     

© 1997-2000 springerin