Das Projekt "Attitude und Canon" versucht eine theoretische Annäherung an deren historische Sammlung.
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Wien - Er war der Liebhaber des Vulkans. William Hamilton (1730-1803), britischer Diplomat in Neapel, war süchtig danach, den brennenden Vesuv zu erklimmen. Susan Sontag goss die Geschichte des Archäologen und Vulkanologen in Romanform. Erzählt wird vom Eros der Gefahr und des Besitzens, denn Hamilton war ein großer Kunstsammler. So wie Anton Graf Lamberg-Sprinzenstein, der zu jener Zeit ebenso Repräsentant seines Landes in Neapel war. Und auch der Österreicher war Vulkanliebhaber, allerdings weniger obsessiv als der britische Lord. Lamberg, der Stifter der Gemäldesammlung der Akademie, erklomm den feuerspuckenden Berg nicht selbst. Er begnügte sich damit, Bilder von ihm zu besitzen.
Vulkanbilder waren in Mode, erzählt der schwedische Künstler Matts Leiderstam. Zum Eros des Besitzens kam bei einem solchen Bild sein Beweischarakter hinzu: eine Trophäe der Erinnerung. Leiderstam, dessen Arbeiten sich oft mit den verdrängten Aspekten historischer Bildwerke beschäftigen, hat sich auf Einladung von Kurator Sören Grammel (Grazer Kunstverein) mit dem Bestand der Akademie beschäftigt. Mit den Vulkanbildern von Michael Wutky und der Figur Lambergs hat Leiderstam an ein Thema anknüpfen können, das er bereits länger verfolgt: das Begehren des Sammlers. In Wien inszeniert er die Lust am Betrachten im Spiel mit Perspektiven und Standpunkten.
Leiderstam, der aktuell beim Steirischen Herbst ein weiteres Projekt präsentiert, bestreitet gemeinsam mit vier Studierenden der Akademie (Alan Cicmak, Eric Kläring, Lisa Lampl und Lisa Rastl) die erste Präsentation im xhibit. Die neuen Ausstellungsräumen der Akademie der bildenden Künste sollen künftig mehr Nähe zwischen der historischen Gemäldegalerie und der zeitgenössischen Kunstproduktion herstellen. Das erste Projekt, Attitude and Canon, reagiert sehr unmittelbar auf die benachbarte Gemäldegalerie, will aber nicht nur neue Perspektiven und kritische Blicke auf klassische Arbeiten ermöglichen, sondern generell die Idee kanonischer Wissensproduktion und Musealisierung hinterfragen.
"Gerade klassische Gemäldegalerien sind Orte, die extrem viel subjektives Entscheidungspotenzial in sich bergen" , wie Persönliches, Ästhetisches, Zufälliges und das praktisch Mögliche die Inszenierung beeinflussen. Das fange mit den Farben der Wände an, die etwa für die Gemälde einer bestimmten Zeitspanne besonders charakteristisch sein sollen. Die objektive Rhetorik bröckle hier genauso wie in der zeitgenössischen Kunst, nur versuche man es dort weniger zu verbergen.
Ein Schwerpunkt der Auseinandersetzung war daher die Architektur, also das Gehäuse, in dem Kunst gezeigt wird. Die Transformation der Gemäldegalerie während ihrer Renovierung und die in dieser Phase unverstellte Fensterachse wurde von den Studierenden in langen Kamerafahrten eingefangen. Im Schnitt der Filmsequenzen entstand jedoch ein von der Realität abgelöster neuer Raum. Ein neu formulierter Bildraum entsteht auch in der Arbeit von Alan Cicmak, der traditionelle Landschaftsmalerei auf ihre filmischen Qualitäten hin untersuchte.
Unverbindlich bleiben
Mit der repräsentativen Qualität von Räumen beschäftigt sich Lisa Rastl. Ihre Fotoserie zeigt die Räume der Documenta X in dem Moment, wo die Kunst, nicht aber die Ausstellungsarchitektur selbst, bereits entfernt worden war. Der kurze, vergängliche Moment des Übergangs, den Rastl eingefangen hat, korrespondiert mit der fragilen Holzkonstruktion, auf dem ihr Foto-Leporello balanciert.
Verbindliche Bezüge auf konkrete Gemälde einzufordern sei wenig sinnvoll, meint Grammel im Hinblick auf künftige xhibit-Projekte. Das wäre didaktisch und langweilig, wenn sich alle mit der Sammlung beschäftigen. "Dass Christian Kravagna (Prof. Postcolonial Studies, Anm.) krampfhaft versucht, irgendwo eine Zigeuneridylle als Bezug zu finden, das muss nicht sein."
Lisa Lampl hat mit Kunsthistorikern Interviews über Motivation musealer Arbeit geführt und zu einem fiktiven Dialog montiert, der auch spezifische Rhetoriken hörbar macht. Der Besucher und sein Verhältnis zu den Ausstellungsobjekten steht im Fokus von Eric Klärings performativen Skulpturen. Diese spielen mit der Ambivalenz ihrer Erscheinung. Sie könnten sowohl funktionales Objekt als auch Kunstgegenstand, eine mit Leinwand bespannte Sitzbank oder Objekt der Kontemplation sein. Setzt sich jemand tatsächlich auf eines der Objekte, die meist auf Marmorleisten ruhen, die an Sockel erinnern, könnten sie sogar selbst zum Kunstwerk werden. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD - Printausgabe, 30. September 2010)
"Attitude and Canon" , bis 24. Oktober: xhibit, Schillerpl. 3, 1010 Wien, Di bis So, 10-18.00
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