Flimmernde Wirklichkeiten | |
Die Kunsthalle Wien zeigt filmische und fotografische Arbeiten des jungen albanischen Künstlers Anri Sala. |
Der heute in Paris lebende bildende
Künstler Anri Sala wurde 1974 in Tirana geboren und dokumentiert in seinen
Kurzvideos und Fotografien immer wieder die Welt des Postkommunisumus. Gesellschaften an ihren Bruchstellen zwischen Vergangenheit und
Zukunft, in kurzen Momenten des zeitgeschichtlichen Horror Vacuii,
interessieren den jungen Künstler. Vergangenes Aufsehen erregte er mit seinem 1998 gedrehten Film "Intervista", wo er
seine Mutter mit Filmdokumenten aus ihrer Vergangenheit als Aktivistin der
kommunistischen Jugendbewegung konfrontierte.
Er lässt die Frau in den Fünfzigern Bruchstücke aus ihrem Leben
erzählen und bringt eine narrative Ebene in sein künstlerisches Schaffen
ein. Initialzündung Salas Ambition liegt weniger darin, narratives Filmmaterial zu
schaffen, sondern versteht sich als Katalysator. Er schafft mit seiner
Kamera Initialzündungen für Menschen, um ihre persönliche Geschichte zu
entwickeln. Das erzählerische Element entsteht dabei nebenbei. Jäger und Sammler Über die eigene Sozialisation hinaus, in die Weiten des differenzierten
Alltags des Postkommunismus und der neoliberalen Welt, führen Arbeiten wie
"Noctures" von 1999 und "UomoDuomo" von 2001. In "Noctures" stellt er zwei Typen von Einzelgängern gegenüber. Den
eben vom Balkankrieg heimgekommenen französischen Söldner und einen
obsessiven Sammler von Fischen und Aquarien. Porträt In "UomoDomo" zeigt er einen alten Mann auf einer Kirchenbank sitzend
vorn übergesunken im nächtlichen Mailänder Dom. Um ihn herum entwickelt
sich ein eigner Raum, der nichts mit den landläufigen Aufnahmen des
Inneren des weltberühmten Doms gemeinsam hat. Für den Künstler hat der
Mann mehr Anrecht auf den Dom als die Kirchenführung.
Beobachtung, Erzählung, Gestik, Spiel und eine Kameraführung, die auf
"Stop and Go" basiert und gelegentlich verlangsamt, sind die Kriterien der
Kunst Salas. Landschaften Ein weiteres Beispiel, in der diese künstlerischen Strategien merkbar
werden, ist das Video "Missing Landscape", wo ein Junge vor einem
improvisierten Fußballtor steht - vor dem Berührungspunkt zweier Berge in
der Talsohle.
Der Ball ist aus dem Blickfeld verschwunden. Der Bub tritt von einem
Fuß auf den anderen und kann die Leere nicht füllen. Dahinter, in den
Ausläufern der Landschaft, muss irgendwo sein Dorf liegen, in das er nach
dem Spiel zurückkehren wird. Tipp: Anri Sala, Kunsthalle Wien, Halle 2, von 28. März bis 15. Juni
2003. | ||||||||
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