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Wiener Kunstmesse: Hochstand für Viennafair

05.05.2010 | 18:39 | ALMUTH SPIEGLER (Die Presse)

Die sechste Viennafair am Messegelände ist eröffnet: 114 Galerien haben sich ziemlich ins Zeug gelegt – die Stände sind so schön wie nie.

"Heftiger Galerienschwund bei der Viennafair“, schlagzeilte tatsächlich eine U-Bahn-Zeitung am Mittwoch. Davon bemerkte man bei der Eröffnung von Wiens größter und internationalster Kunstmesse aber wenig. Im Gegenteil. 114 Galerien aus mittlerweile aller Welt füllen die Messehalle. Die starke Fluktuation (31 Erstaussteller) sorgt im Negativen höchstens dafür, dass Messe-Geschäftsführer Matthias Limbeck seiner finanziellen Sorgenveranstaltung immer noch eine „späte Pubertätsphase“ zugesteht. Im Positiven, für die Besucher, aber, dass jedes Jahr viel Unbekanntes, Überraschendes nachkommt.

Etwa, wenn man gerade in einer Galerie aus Dubai einen jungen Innsbrucker Künstler entdeckt: Die Carbon-12-Galeristen Kourosh Nouri und Nadine Knotzer haben Florian Hafele bei einem ihrer Fischzüge durch die Wiener Angewandte in der Klasse von Erwin Wurm entdeckt. Jetzt konnten sie seinen surrealen Skulpturen, bei denen sich zwei Körper schon einmal einen Kopf teilen müssen oder sich die Hände eines Mannes zur unbeherrschbaren Schlinge verselbstständigen, ein prominentes Heimspiel ermöglichen.

Mit 33 Galerien aus Ost- und Südosteuropa ist der Fokus der Viennafair auf dieses Gebiet heuer so stark wie nie – zwei Galerien aus der Türkei konnten gewonnen werden, die meisten kommen aber aus Polen, Slowenien und Ungarn. Ihre Messekosten werden bereits im sechsten Jahr großteils von der Erste Bank gesponsert. Eine unverzichtbare Unterstützung, sind diese finanziell noch stärker als die Wiener Kollegen kämpfenden Galerien tatsächlich das, was die Wiener Messe im internationalen Vergleich unverwechselbar macht.

Das würdigen heuer auch wieder mehr Sammler – über 200 aus 20 Ländern haben sich angemeldet, berichtet der verantwortliche Messe-Geschäftsführer Matthias Limbeck stolz. Darunter auch 20 aus den USA, die voriges Jahr – die Krise – fast völlig ausließen. Sie werden belohnt: Denn die Galerien haben sich ins Zeug gelegt, der Großteil der Stände ist außergewöhnlich liebevoll und durchdacht gestaltet.

 

Elfie Semotans privates Archiv

Der Wiener Dreierstand von Charim, König und Senn zum Beispiel: Vor dem an sich schon spannenden Hintergrund einer Tapete aus hunderten Fotos aus Elfie Semotans privatem Archiv, auf der man Porträts ihrer Männer (Kippenberger, Kocherscheidt) und Modelle (Kordula Reyer) entdeckt, mischen die Galeristinnen gelungen ihre Programme. Ebenfalls hier zu ergattern: das Modell der „Church of Fear“, die Christoph Schlingensief 2003 bei der Biennale Venedig aufgebaut hat. Nächstes Jahr wird er offizieller Vertreter Deutschlands in Venedig sein. Bedenkt man derlei, kostet die Kirche samt Kiste nur bescheidene 15.000 Euro.

Die Galerie Krobath, als einzige Galerie aus dem heuer auslassenden Eschenbachgasse-Grätzel vertreten, setzt auf Schwarz-Weiß: Neue Esther-Stocker-Bilder und eine Friedrich-Kiesler-Lounge-Bank, die Florian Pumhösl mit einem eigens entworfenen Backhausen-Stoff überziehen ließ (Kostprobe gab es bereits im „Musterzimmer“ im Belvedere). Rustikaler darf es bei Kargl sein: Er hat am Beginn der Messe einen von Mark Dions hölzernen Hochständen samt Jagdbibliothek aufgebaut. Erklimmt man ihn, kann man in der Kölner Galerie Teapot am anderen Ende vielleicht gerade noch Christian Eisenbergers unglaublichen Krickerl-Wuzler erspähen.

 

Preise für Schwarzwälder, Oberhuber

Bei so vielen tollen Ständen fiel der Jury die Wahl der beiden besten wohl recht schwer, die Gewinner des Wirtschaftskammer-Preises waren dennoch eine Überraschung: Es traf Mutter und Sohn, Rosemarie Schwarzwälder von der Wiener Galerie nächst St. Stephan. Und Nikolaus Oberhuber, der seit einem Jahr in einer sehr coolen Berliner Architekten-Betongarage mit zwei Partnern ebenfalls eine Galerie (KOW) betreibt.

Familybusiness? Das wäre zu durchsichtig. Beide sehr konzeptuell aufgebauten Stände haben den Preis durchaus verdient. Schwarzwälders Koje dominiert ein drei mal fünf Meter braunes Wald-Bild Herbert Brandls, das in dessen großer Ausstellung in den Deichtorhallen Hamburg hing. 88.000 Euro dafür wirken wie ein Schnäppchen. Und KOW zeigen einen Film der beiden französischen Künstler Frederic Moder und Philippe Schwinger, die auf ihre Weise Jean-Luc Godards TV-Sendung „Tour de France“ (Jugendliche sprechen über Existenzielles) in die Gegenwart übertragen, genauer in eine schwierige Toulouser Immigranten-Hochburg.


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