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Nitsch-Grablegung in Galeriekapelle

Bild vergrößern Nitsch-Grablegung in Galeriekapelle

Kunst spiegelt Opfer-Rituale: Relikte des 6-Tage-Spiels in Schärding  Bild: Frank Weichelt

Blitzschnell ist das Erinnern da: das Erinnern an die Aufbahrung des Urgroßvaters, das Erinnern an jenes 6-Tage-Spiel von Hermann Nitsch, das sich einem in Ton, Geruch, Geschmack unauslöschlich eingebrannt hat. Auslöser: die aktuelle Ausstellung in der Schärdinger Galerie am Stein.

Der süßliche Duft einer Unmenge welkender Lilien vermischt sich mit einem Hauch von Weihrauch, von Myrrhe, von getrocknetem Blut. Es ist, als würde man eine romanische Grablegungs-Kapelle betreten. Denn die Innviertler Galeristin Monika Perzl hat hier in Schärding mit Hermann Nitsch' Relikten, Fotos und Schüttbildern des sechstägigen Orgien-Mysterientheaters aus dem Jahr 1998 nicht bloß eine übliche Ausstellung gestaltet, sondern eine beeindruckende Rauminszenierung geschaffen, die auf vielen Ebenen „unter die Haut“ geht.

Wie ein Hochamt

Schnell ist sie da, die Erinnerung an jene karge bäuerliche Stube, in der des Urgroßvaters Aufbahrung die eigene erste Begegnung mit Tod und Vergänglichkeit geprägt hat. Auch die Erinnerung an jene extrem heißen Augusttage, in denen die von Nitsch exakt choreographierte theatralische Urkraft auch manche Zweifler überzeugen konnte. Mehr als 1500 Besucher waren damals nach Prinzendorf gekommen, 120 Journalisten, Kunsthistoriker, vier TV- und neun Radiostationen hatten vom Ort des Geschehens berichtet.

Dieses 6-Tage-Spiel zählte zweifelsohne auch zum Beeindruckendsten, was mir selbst im Bereich Kunst bis dahin untergekommen war. In einer absolut präzisen und bis in kleinste Nuancen durchstrukturierten Partitur war es, als liefere man sich dem Auf und Ab einer liturgischen Litanei aus. Denn der Aufbau des 6-Tage-Spiels erinnerte ohne jede Verächtlichmachung durchaus an ein katholisches Hochamt.

Thematisierte Tod und Überwinden von Todesangst durch das Überleben einer Idee. Eingebettet in ein Konglomerat aus Strukturen, denen gemeinsames Feiern zugrunde liegt, eingebettet in die Rituale von dionysischen, von liturgischen und bäuerlichen Festen.

Hervorragende Zeichnungen

All das vermittelt die derzeitige Schärdinger „Galeriekapelle“. Hier vereinen sich perfekt arrangierte Einzelteile aus dem 6-Tage-Spiel zur „Grablegung“ – so das Generalthema der Ausstellung. Gleich zum Einstieg hervorragende, gegenständliche Zeichnungen des Aktionismus-Altmeisters auf jener 2 x 3 Meter großen Relikt-Leinwand, die hinter einer intensiv duftenden Lilienbarriere aufragt.

Intensives Statement

Groß- und kleinformatige Schüttbilder, die dick pastos mit Ölfarbe bearbeitet wurden, verbinden sich mit virtuos bestickten alten Priestergewändern, mit roh gezimmerten Holzbahren und Fotodokumenten zu einem intensiven Statement einer Kunst, die weit über das bloße Abbild hinausgeht, die existentielle menschliche Grenzbereiche berührt. Und die dadurch auch mehr Auseinandersetzung mit ihrem Hintergrund verlangt. Was sich durchaus auszahlt.

Info: bis 9. 5.; Mi–Fr 16–19 Uhr, Sa 10–12 Uhr; Lamprechtstr. 16, Schärding
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