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Kunstberichte

Die Albertina präsentiert die Sammlung von Eberhard W. Kornfeld

Glamouröse Gäste aus der Schweiz

Expressionistische Perspektiven: Kirchners "Straßenszene" von 1914. Foto: Kornfeld/Ingeborg & Wolfgang Henze-Ketterer

Expressionistische Perspektiven: Kirchners "Straßenszene" von 1914. Foto: Kornfeld/Ingeborg & Wolfgang Henze-Ketterer

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Aufzählung Er saß für Alberto Giacometti Modell, half Marc Chagall beim Signieren seiner Grafikeditionen und kann sich auch als Macher der europäischen Karriere von Sam Francis sowie als Freund vieler Künstler beschreiben: Eberhard W. Kornfeld. Dem Sammler, Kunsthändler, Auktionator und Wissenschafter aus Bern ist zum 85. Geburtstag eine große Schau mit dem Titel "Wege der Moderne" in der Basteihalle der Albertina gewidmet.

Die Beziehungen zum Wiener Museum bestehen seit 1952: Damals hat Direktor Otto Benesch den Kontakt zu Kornfeld aufgenommen, der dann – noch lernend – den Dürer- und Rembrandtbestand in Wien besichtigte. Die Galerie Klipstein und Kornfeld in Bern half Benesch beim Verkauf von Dubletten und dem Erwerb wesentlicher Blätter der klassischen Moderne. 1960 hat Kornfeld aber auch die Schriften des Kunsthistorikers in der Schweiz publiziert.

Der unbekannte Bruder

Während bereits ein Jahr davor in der Berner Galerie eine Ausstellung von Arbeiten Alberto Giacomettis stattfand, hält mit den Werken dieses Stars der Skulpturkunst nun in der Albertina ein umfangreicher Vergleich zwischen plastischer Kunst und Malereien und Zeichnungen Einzug.

Für Besucher kommt die Erkenntnis dazu, dass Diego Giacometti nicht nur am Werk des Bruders – handwerklich und als Modell – beteiligt war, sondern selbst eigenwillige Möbel und Tierbildnisse in altägyptischer Manier fertigte. Orientierte sich Albertos Frühwerk eher an Etruskern, so erfasste die gemeinsame Lust am "Primitiven" doch auch Picasso, Paul Klee und Ernst Ludwig Kirchner.

Kornfelds Sammlung zeichnet sich neben subjektiven Vorlieben vor allem durch hohe Qualität aus: Der Schweizer hat seinen Job ab 1945 von der Pike auf gelernt und ist Herausgeber wichtiger Œuvrekataloge. Wo ihm der Weg ins Atelier möglich war, pflegte er den direkten Umgang, im Fall des früh aus dem Leben geschiedenen Kirchner sorgte Kornfeld dafür, dass seine Häuser in Davos zu Museen wurden. Der Sammler kaufte sie nicht nur, sondern konnte sukzessive die geschnitzte Originalausstattung zurückerwerben. Davon erzählen unter anderem Straßenszenen des deutschen Expressionisten und ein Sessel mit eingearbeiteten menschlichen Konturen.

Kontrastreiche Paare

Kuratorin Christine Ekelhart hat neben monografisch geordneten Räumen interessante Konfrontationen gewählt: Auf die erotischen Akte von Gustav Klimt blickt streng die sozialkritische Anklage von Käthe Kollwitz; gegenüber dem stillen Klang Klees wütet der mörderisch kritische George Grosz.

Harmonien gibt es zwischen Edgar Degas, Paul Cézanne und den rein aus Schatten aufgebauten Grafiken George Seurats. Picasso und Henri Matisse, hier ebenso verbunden, standen sich auch im Leben nahe; Fernand Léger sticht mit einer Bleistiftserie von 1928 ins Auge. Die Albertina könnte froh sein, wenn sich ihre alten Achsen auf ein kleines Erbe aus dieser Sammlung auswirken.

Aufzählung Ausstellung

Wege der Moderne.

Aus der Sammlung Eberhard W. Kornfeld Christine Ekelhart (Kurat.) Basteihalle in der Albertina bis 8. Februar

Printausgabe vom Freitag, 07. November 2008

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