16.12.2002 20:43
Post-Punk. Bildmagie.
Der
Allroundkünstler und Filmemacher Dietmar Brehm mit Werkschauen im Künstlerhaus
und Filmmuseum
Dietmar Brehm, international renommierter
Avantgardefilmer sowie aus dem Geist von Punk und Dada gespeister bildender
Künstler, zeigt Werkschauen im Österreichischen Filmmuseum und im Wiener
Künstlerhaus.
Wien - Der Zufall, der Bildwitz, Found Footage, die kalkulierten Fehler
und Unschärfen: Charakteristiken der Arbeiten Dietmar Brehms. Machen die ihn zu
einem Erben Dadas? Zum Meister der Selbstinszenierung sicherlich, mit
Rock-'n'-Roll-Bekennertum und Hang zum Dilettantismus: "Ich male einfach so, wie
man eine Türe lackiert." Keine aufgesetzte Künstlerpose: Es ist, was es ist. Und
wenn dahinter noch was sein soll, dann kann es recht sein. In gewissen Sinne ein
Erbe Warhols. Schau auf die Oberfläche meiner Bilder, schau auf Brehms
Totenköpfe. Dahinter ist nichts. Na, vielleicht doch etwas.
Dem 1947
geborenen Linzer, einer singulären Erscheinung in der heimischen
Künstlerlandschaft, können nur mindestens drei Schauen gerecht werden: Mit der
Retrospektive von Brehms Filmen im Österreichischen Filmmuseum, mit der
Filmdokumentation im von Alexander Horwath herausgegebenen Buch Party und
mit der Ausstellung JOB im Künstlerhaus. Denn, so Brehm: "Manchmal suche
ich einen Bleistift und finde die Filmkamera, während ich an einen Pinsel
denke".
Brehm als bildender Künst- ler operiert an der Schnittstelle von
Comic und Piktogramm: Zweidimensionale, oft ins Absurde oder Groteske
gesteigerte Bildideen, am besten und geistreichsten in den kleinformatigen
Vorzeichnungen. Schlicht und ergreifend auch Alarm, eine Addition der
Notrufnummern von Feuer, Polizei und Rettung (399). Farben werden bei den
logoartigen Malereien selten gemischt, die Begrenzungslinien sind schwarz und
alles ist klar - wie bei Malen nach Zahlen in Kinderbüchern, die auch Warhol
faszinierten. Die Motive der von der Popkultur kommenden Arbeiten, siehe Kenneth
Anger, siehe Punk und New Wave, bekommen musikalischen Rhythmus in ihrer
Serialität - so manches Bild stünde allein ziemlich verloren da.
Die Lust
an der Bildzerstörung: Kalkulierte fantasiefördernde Unschärfen hingegen bei
seinen "film stills" oder "still films", deren vergrößerte Kader er zu losen
Bildgeschichten übereinanderreiht. Und das schon, bevor die Wackelästhetik bei
kunstwerkenden New Yorker Ex-Junkies hip war.
Bei Zentrale, einer
Found-Footage-Verwertung eines Pornos der 60er-Jahre über Impotenz, so Brehm im
Filmbuch Party, "war das Material so schlecht, dass ich begeistert war.
Ich stellte das Kameraobjektiv auf unscharf. So wurde der Impotenz-Film viel
besser als scharf gefilmt." Die Mittel, auch beim Film, sind einfach. Brehm
kapiert, dass nicht die bessere Technik den besseren Künstler macht. Das
bewusste Abrüsten dient ihm, der sich nach eigenen Angaben besser in der
ägyptischen Kunst auskennt als in der gegenwärtigen, zur "magischen
Bildfindung".
Die Magie stammt zumindest bei den Bildern aus den 80ern,
als Brehm mit Leinwandmalerei begann. Brehm entschleunigt bewusst. Als "Reaktion
auf die MTV-Bildstürze" verwendet er gerne mal einen linearen Schwarzfilm, den
er mit Musik unterlegt. Mit 16-mm-Material will Brehm weitermachen, bis hin zum
Äußersten. Und verlangsamen, am Beispiel "zerdehnter Videoarbeiten". (DER
STANDARD, Printausgabe, 16.12.2002)