Wien
(VN-cf) Beim Betreten des schlauchförmigen
Ausstellungsraumes im Zentrum des Wiener Museumsquartiers stellt
sich unwillkürlich Wohlbefinden ein. Gleich einem riesengroßen Bauch
wurden die Seitenwände der Kunsthalle für die Personale der
japanischen Künstlerin abgerundet.
Subtile Erotik und Sinnlichkeit werden mit einem sehr
begrenzten Repertoire an Formen ausgedrückt: Punkte, Tupfen, Kugeln,
Netzwerke, die sich in Spiegeln unendlich wiederholen.
Mit ihren obsessiven Objekten, Installationen und Environments
sorgt Yayoi Kusama - eine der vielseitigsten und international
erfolgreichsten zeitgenössischen Künstlerinnen Japans - seit den
sechziger Jahren für Furore.
Obsessive Kunst
Die charakteristischen "Polka dots" und "Infinity nets"
ihrer Vorstellungswelt überwachsen nicht nur Leinwände und
Aquarelle, sondern auch Objekte und ganze Räume und begründen so
Kusamas Ruhm als "Polka-Dot-Princess" und Exotin der New Yorker
Kunstszene. Die Kunsthalle wurde von Kusama in ein pulsierendes
Universum verwandelt.
Von den Wänden lächeln bunte Punkte herunter. Dazwischen liegen
glänzende Kugeln, die bereits aus dem "Narcissus Garden" von 1966
bekannt sind. Schon als Kind hatte Kusama Halluzinationen, in denen
Punkte und Tupfen alles überwucherten. Diese ornamentalen
Strukturen, die sich zum Nichts überformen und in eine erschöpfte
Leere führen, ziehen sich durch das ganze Künstlerleben der heute
72-jährigen.
Selbstauflösung
Versteckte Türen öffnet der Besucher mit großer Neugier
und befindet sich unerwartet in einem neuen Universum von
beispielsweise weißen Punkten auf rotem Hintergrund. Phallusartige
Riesenluftballone verstärken den körperlich-berührenden Effekt und
man verliert sich in der unendlichen Spiegelung.
Die Zersplitterung des Egos und die Verwandlung in ein multiples
Selbst erreicht Kusama mit den ihr eigenen Werkzeugen. Kleine
Guckkästchen laden ein, in unendliche Räume zu blicken.
Voyeuristisch gereizt sieht man sich allerdings bald enttäuscht.
Vollends kann man sich nämlich nicht dem Vergnügungsspiel
hingeben - in tausendfacher narzisstischer Spiegelung ist man mit
sich selbst konfrontiert - und eventuell mit einem Fremden, der
schamhaft, belustigt oder erotisiert in den Raum der Erwartungen
blickt.
Yayoi Kusama schafft es auf sympathische Weise, die Trennung
zwischen Künstlerin, Ausstellungsmechanismus
und Betrachter aufzuheben und bewirkt mit ihrer Arbeit die
Überschreitung eines in Konventionen und starren Regelsystemen
gefangenen Seins.
Kunsthalle Wien. 8. Februar bis 28. April 2002.
Museumsplatz 1. Infoline: 01-521 89-33. E-Mail: office@
kunsthallewien.at. Internet: www.KUNSTHALLEwien.at
Öffnungszeiten: Täglich 10 bis 19 Uhr, Donnerstag: 10 bis 22
Uhr.
Yayoi Kusama sonnt sich hier im "Narcissus Garden".
(Foto: Kunsthalle)