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Ein Bild von Koons und seine Folgen

Bechtolds Beschwerde gegen Beschlagnahmung abgewiesen: Pornographiegesetz zu verhandeln

VON CHRISTA DIETRICH

Bregenz (VN) Die Fakten sind bekannt, werden nur oft verdreht: Gottfried Bechtold, einer der international bekanntesten Künstler aus Vorarlberg, hat in seinem Terminal am Bregenzer Leutbühel eine Fotoarbeit aus der Serie "Made in Heaven" des amerikanischen Künstlers Jeff Koons ausgelegt. Es folgte eine Anzeige wegen des Verstoßes gegen das Pornographiegesetz und die Beschlagnahmung der Koons-Arbeit. Ekkehard Bechtold, Gottfried Bechtolds Rechtsvertreter, erwartet nun einen Prozess oder die Einstellung des Verfahrens.

Die Entscheidung liegt nun bei der Staatsanwaltschaft in Feldkirch, die - als ersten Schritt - inzwischen die Beschwerde des Künstlers gegen die Beschlagnahmung abgewiesen hat.

Gesetz aus den 50er Jahren

Zu erwähnen ist im Zusammenhang mit diesen Vorgängen, die Rechtsanwalt Bechtold eine "tief peinliche Provinzposse" nennt, dass die Beschlagnahmung nicht ohne Kommentare aus der Öffentlichkeit abging, die - so auch der Anwalt - darauf schließen lassen, dass die Leute die Arbeit, die sie kritisieren, gar nicht gesehen haben. (Das beschlagnahmte Bild zeigt ein Paar, umgeben von freier Natur. Beide sind mehr oder weniger nackt, während sich der Mann über den Schoss der Frau beugt. Angebracht war es im Terminal in einer Art und auf einer Höhe, dass es von Kindern nicht mehr zu sehen war.) Zu erwähnen ist auch, dass aufgrund eines Gesetzes gehandelt wurde, das aus den 50er Jahren stammt. Eines Vergehens macht sich laut diesem Gesetz jener schuldig, "der wissentlich eine Schrift, Abbildung oder sonstige Darstellung Personen unter 16 Jahren gegen Entgelt überlässt", die geeignet ist, "die sittliche oder gesundheitliche Entwicklung jugendlicher Personen durch Reizung der Lüsternheit oder Irreleitung des Geschlechtstriebes zu gefährden".

Bedenkliche Haltung

Abgesehen davon, dass dieser Gesetzestext eine "Irreleitung des Geschlechtstriebes" nicht näher definiert bzw. die Frage erweckt, ob allein die Reizung der Lüsternheit bereits die gesundheitliche und sittliche Entwicklung Jugendlicher beeinträchtigt, hält Ekkehard Bechtold fest, dass es von Staatsanwälten wohl schwer zu klären sein wird, ob der Anblick eines Bildes wie die Arbeit von Koons bereits eine derartige Gefährdung auslöst. Ekkehard Bechtold: "Die Frage wäre von Jugendpsychologen zu klären. Das Pornographiegesetz ist bekanntermaßen veraltet."

Ekkehard Bechtold bezeichnet die Abweisung der Beschwerde zwar als eine Vorentscheidung, die eine gewisse geistige Haltung zeigt, stellt aber fest, dass die Beschlagnahmung an sich nicht relevant für das Verfahren sei. Die Staatsanwaltschaft habe nun ausreichend Gelegenheit gehabt, das Bild anzusehen, sie habe nun zu entscheiden, ob es zur Anklage kommt oder ob das Verfahren eingestellt wird.

Koons wäre Beitragstäter

Nicht unbedingt relevant für das Urteil sei, dass die Fotoserie von Jeff Koons schon in vielen Kunsthäusern (Stuttgart, Amsterdam, Venedig etc.) gezeigt wurde und dass die Fotos längst in offen zugänglichen Zeitschriften und Katalogen auftauchen. Auch jenes Bild, das Gottfried Bechtold verwendete, stammt aus einer Zeitschrift. Ekkehard Bechtold: "Es könnte sich bei einer Verurteilung lediglich herausstellen, dass man bei früheren Ausstellungen eben nichts gemacht hat. Ich glaube auch, dass eine derartige Beschlagnahmung in Wien nicht passiert wäre."

Stellt sich die Frage, ob der amerikanische Künstler Jeff Koons, der im Sommer vom Kunsthaus Bregenz präsentiert wurde, damit auch gegen das Pornographiegesetz verstoßen hat? Bechtold: "Wenn man das genau juristisch betrachtet, dann wäre Herr Koons bei einer Verurteilung Beitragstäter, dann könnten alle Magazine eingezogen, Ausstellungsmacher und Redakteure verurteilt werden. Deshalb hoffe ich, dass Vernunft einkehrt."

Ekkehard Bechtold räumt allerdings ein, dass bei einer etwaigen Verurteilung rechtlich noch einiges möglich wäre, um dagegen vorzugehen.

Was hat Gottfried Bechtold eigentlich getan? Er hat ergänzend zur Sommerausstellung im Kunsthaus Bregenz, wo nur neuere Arbeiten von Jeff Koons gezeigt wurden, in seinem Terminal, in dem er seit Jahren verschiedentlich auf Ereignisse oder auf das eigene Schaffen anspielt, eine ältere Koons-Arbeit aus einer Zeitschrift ausgelegt. Konkret jene, mit der Koons einige Aufmerksamkeit erregte, weil er gemeinsam mit seiner Frau den Liebesakt dieserart zur künstlerischen Installation erhob. Der Titel "Made in Heaven" spielt dabei einerseits auf banale Sujets in der Werbung an, andererseits aber auch auf die Zeugung seines Sohnes.

Ich glaube, dass die Leute so auf diese Koons-Arbeit reagiert haben, weil sie sich in ihrem Kunstverständnis hintan gesetzt sehen. Es meint ja jeder, er sei ein Kunstsachverständiger. Wenn jemand kommt, der sagt, das ist Kunst, dann fühlt sich so jemand in seiner Qualifikation zurückgesetzt.

EKKEHARD BECHTOLD

Bechtolds Kunstterminal beinhaltet bereits neues Projekt. (Foto: HB)




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