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Krems:
Milch vom ultrablauen Strom Strategien österreichischer Künstler 1960-2000 Kunsthalle

 
   
   

15. Oktober bis 26. November 2000

"Milch vom ultrablauen Strom" nannte Kurator - und Gründungsdirektor der Kunsthalle - Wolfgang Denk seine aus mehr als vierzig Positionen bestehende Ausstellung, die an die 200 Werke österreichischer KünstlerInnen von 1960 bis 2000 in der Kunsthalle Krems zeigte und als Wanderausstellung im nächsten Jahr in Warschau, Prag und Budapest zu sehen sein wird. Der reißerische Titel gepaart mit einem Bild von Elke Krystufek lockte von lauten Plakaten und war als Metapher zugleich Signal und Konzept der Ausstellung. Was als Donaufahrt bzw. Flusswanderung in einem Bild von zäher milchiger Trägheit bis zu blitzblauer Hochspannung viele Anknüpfungspunkte bot, meinte zwar …sterreich und einen Querschnitt durch die hiesige Produktion der letzten vierzig Jahre, nutzte aber die Energetik des Titels, um in weitere hehre Gefilde unseres strapazierten Mitteleuropabegriffs abzudriften. Die derzeitige Situation hierzulande kommt nirgends zur Sprache, allenfalls wird Nationalität mit Provinzialismus gleichgesetzt und damit eine weitere Legitimierung für eine "Morgenlandfahrt" im Sinne Hermann Hesses geschaffen. Dennoch: Es war ein glückliches …sterreich, das da zurückgelassen wurde, eines, das kaum Berührungspunkte mit der blau-schwarzen Realität aufweist, sonst wäre Kunststaatssekretär Franz Morak wohl kaum zur Eröffnung gekommen. Mag sein, dass hierzulande vieles provinziell ist, nicht zu übersehen ist jedoch, dass der "Fall …sterreich" mit seinem Rechtsextremismus und seiner möglichen negativen Beispielsetzung eine europäische Dimension erhalten hat. Das Nirgendwo an der blauen Donau gibt es nicht, und gegen diese Strategie des Kurators kämpfen viele Arbeiten in der Ausstellung tapfer an. Allen voran die quasi klassischen Positionen von Peter Kubelka, der auch an zwei Abenden seine Filme zeigte, über Rudolf Schwarzkogler, Günter Brus hin zu VALIE EXPORT und Siegfried Anzinger- bei den jüngeren Künstlern Uli Aigner, Anna Jermolaewa, Hans Schabus, Clemens Stecher, um nur einige zu nennen, denn es sind viele wichtige Arbeiten in der Ausstellung zu sehen. Und in diesem Zusammenhang lasse ich auch "L'Autriche n'existe plus" nicht gelten, wie der Text über die jüngeren KünstlerInnen von Patricia Grzonka heißt, die von einem "Konstrukt politischer Chimären" eines nicht mehr existierenden nationalen Gebildesspricht, weil zum einen eine Eigenstaatlichkeit des Kunstbetriebs postuliert wird, zum anderen die KünstlerInnen ausschließlich in einer Internationalität gesehen werden (die aber vermutlich nicht eine solche meint, welche auch die Zielorte der Ausstellung im nächsten Jahr integrieren kann ...)

Am "zivilgesellschaftlichen Protest" der letzten Monate waren KünstlerInnen (und KuratorInnen) maßgeblich beteiligt -mag man dies zur Kenntnis nehmen oder nicht. Und so sehe ich die zweiteilige Fotoarbeit "Die Keimzelle des Staates" von Uli Aigner nicht (wie im Katalog) vorrangig als utopisch-kollektiven Lebensentwurf im Anschluss an Otto Mühls Angriffe auf die Familie (Warum sollte sich gerade in diesem Zusammenhang eine Frau auf Otto Mühl berufen wollen?), sondernauch als Rückbindung einer persönlichen Situation in ein Hier und Jetzt eines größeren sozialen bzw. politischen Zusammenhangs. Auch die Arbeiten von Brus und Schwarzkogler hätten hier viel beizutragen, und es ist für die weiteren Stationen bedauerlich, dass in Warschau, Prag und Budapest nicht ein vom Kurator getragenes Modell der Kritik im Vordergrund steht, das den Anteil der Repräsentation zurückdrängt.

Susanne Neuburger

 
     

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