Wiener Zeitung · Archiv


Kunstberichte
Baseler Fondation Beyeler zeigt die Ausstellung "Wien 1900, Klimt, Schiele und ihre Zeit"

Zur Melange in die Schweiz

Auch Egon Schieles 
"Kardinal und Nonne" (1912) ist zurzeit in Basel zu sehen. 
Foto: Leopold Museum Wien

Auch Egon Schieles "Kardinal und Nonne" (1912) ist zurzeit in Basel zu sehen. Foto: Leopold Museum Wien

Von Bettina Louise Haase

Aufzählung Erste große Schau über Wiener Moderne in der Schweiz.
Aufzählung Insgesamt 200 Werke mit Leihgaben aus Wiener Museen.

Basel. Eine Liebeserklärung an Wien zeigt die Fondation Beyeler in ihrer aktuellen Ausstellung "Wien 1900, Klimt, Schiele und ihre Zeit". Die Wiener Kuratorin Susanna Steffen beleuchtet mit ihrer historischen Ausstellung einmal mehr den Begriff des Gesamtkunstwerks, also das Zusammenspiel von Architekten, Malern und Designern in Wien um 1900.

Einen logistischen Meisterakt haben die Veranstalter der Ausstellung vollbracht: Die rund 50 gezeigten Zeichnungen von Schiele sind allein aufgrund ihrer hohen Versicherungssumme kaum ausleihbar, Besitzer einiger Werke hatten Vorbehalte gegen eine Verschickung in die Schweiz. Schieles Papierarbeiten sind besonders fragil und deswegen sehr schwierig zu transportieren. Trotzdem warfen die Kuratorin und der Direktor der Fondation Beyeler, Sam Keller, ihr ganzes Beziehungsgewicht in die Waagschale, um die erste große Ausstellung zur Wiener Moderne in der Schweiz zu realisieren.

Werke von Künstlern der Wiener Secession

"Keine andere Ausstellung war so schwierig zu verwirklichen", so die Kuratorin, "aber alle Wiener Museen haben die Ausstellung unterstützt." Allein 80 Werke hat das Leopold Museum zur Verfügung gestellt, fast 40 Blätter kommen aus der Albertina. Dem Besucher bietet sich in Basel die Möglichkeit, Werke von Künstlern der Wiener Secession zu sehen, die so noch nie in Zusammenhang gezeigt wurden. Darunter fallen drei Frauenporträts von Gustav Klimt: "Ria Munk auf dem Totenbett" von 1911, "Die Tänzerin" (1916–1918) und"Frauenbildnis" (Ria Munk III).

In der Dreierkombination der Baseler Ausstellung zeigt sich die ganze Kunst von Klimts Frauenportraits: In "Die "Tänzerin", die Klimt leicht diagonal darstellt, hält sie in der linken Hand einen Blumenstrauß. Ein halboffenes Kleid, das ebenfalls an Blumen erinnert, umhüllt die schlanke Silhouette. Auch der Hintergrund hat florale Motive. Diese Bildkomposition lässt an Henri Matisses farbige Flächen von Interieurs denken und weist auf die spätere Kunst des 20. Jahrhunderts hin.

Egon Schiele, dessen Mentor Gustav Klimt war, steht mit seinen Zeichnungen neben Klimt im Mittelpunkt der Schau. Schiele, Meister der Selbstinszenierung und psychologischen Visualisierung, konzentrierte sich auf die Darstellung der Physiognomie, gepaart mit der existenziellen Ausdruckskraft Leidender und Liebender. Wasin Klimts Zeichnungen scheinbar mühelos zu fließen scheint, ist bei Schiele Ausdruck einer großen Kraftanstrengung. Sein Innovationspotenzial für die Kunst liegt vor allem in der Zeichnung, die eine neue, bis dahin unübliche konzentrierte Form von Intimität und Erotik aufweist. Architekturmodelle, Möbel und Entwürfe von Innenräumen ergänzen die Schau.

Literaten und Maler, Kunsthandwerker und Architekten, Journalisten und Philosophen nahmen einander wahr, manchmal mit Begeisterung, manchmal mit beißendem Spott. Das war nicht zuletzt durch die Institution Kaffeehaus möglich – von dort kannte man einander. Auch diesem Aspekt des Wiener Lebensgefühls um 1900 wird die Schau gerecht: Im Museum ist ein Wiener Kaffeehaus eingerichtet. Denn auch die Genießenden waren Teil der Epoche: Ohne die Auftraggeber und die Kunden der Secessions-Künstler und später der Wiener Werkstätte wäre letztlich nur museale Kunst entstanden. So spiegelt die Schau den Nerv der damaligen Zeit: Sie zeigt Werke, die lange voneinander getrennt waren, in Zusammenhang. Die Räume des Renzo-Piano-Baus der Fondation Beyeler bieten dafür den optimalen Rahmen.

Aufzählung Ausstellung

Wien 1900, Schiele, Klimt und ihre Zeit
bis 16. Januar in der Fondation Beyeler in Basel http://www.beyeler.com.



Printausgabe vom Freitag, 12. November 2010
Online seit: Donnerstag, 11. November 2010 15:29:00

Kommentar senden:
Name:

Mail:

Überschrift:

Text (max. 1500 Zeichen):

Postadresse:*
H-DMZN08 Bitte geben sie den Sicherheitscode aus dem grünen Feld hier ein. Der Code besteht aus 6 Zeichen.


* Kommentare werden nicht automatisch veröffentlicht. Die Redaktion behält sich vor Kommentare abzulehnen. Wenn Sie eine Veröffentlichung Ihrer Stellungnahme als Leserbrief in der Druckausgabe wünschen, dann bitten wir Sie auch um die Angabe einer nachprüfbaren Postanschrift im Feld Postadresse. Diese Adresse wird online nicht veröffentlicht. Bitte beachten Sie unsere Feedback-Regeln.

Wiener Zeitung · 1040 Wien, Wiedner Gürtel 10 · Tel. 01/206 99 0 · Mail: online@wienerzeitung.at