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Neue Mumok-Chefin über den schlechten Wiener Ruf

05.05.2010 | 18:38 | ALMUTH SPIEGLER (Die Presse)

Am Mittwoch präsentierte sich Karola Kraus als neue Mumok-Direktorin in Wien. Vorab ein Gespräch mit der "Presse": "Ich freue mich darauf, Wien mit all seinen Facetten kennenzulernen."

„Die Presse“: Sie sind in Deutschland mehrmals vor der Schlangengrube Wien gewarnt worden. Haben wir wirklich so einen schlechten Ruf?

Karola Kraus: In der Tat sagen alle Menschen, die mir zu meinem Job gratulieren – großartige Berufung, aber... Du weißt doch wie kompliziert Wien ist, wie die Wiener sind... Ich freue mich darauf, Wien mit all seinen Facetten kennenzulernen.

Im Vergleich zur Größe der Stadt ist die Dichte der Institutionen sehr groß, es gibt im zeitgenössischen Bereich viele Überschneidungen.

Kraus: Die Dichte sehe ich als Chance, Synergien zu schaffen, um den Status der Stadt als europäische Kulturmetropole zu stärken.

Sie sollen ein gutes Händchen für Sponsoren haben. Wie weit würden Sie für sie gehen? Im New Museum in New York sind sogar schon die Toiletteanlagen nach Sponsoren benannt.

Kraus: Ich habe in der Vergangenheit immer adäquate Formen der Danksagung an Sponsoren und Förderer gefunden. Aber nein, bis zu den Toiletten würde ich nicht gehen.

Sie stammen aus einer Sammlerfamilie. Ich nehme an, Sie sind besser mit der Wiener Galerien- als mit der Museumsszene vertraut?

Kraus: Ich reise seit vielen Jahren nach Wien und verfolge die Wiener Kunstszene. In Braunschweig wie in Baden-Baden habe ich mit Wiener Künstlern zusammengearbeitet.

 

Werden Sie mit ihrem Sammler-Background verstärkt private Sammlungen ins Museum holen? Ein Trend, der international ja nicht immer nur positiv gesehen wird...

Kraus: Ich werde sicherlich in den nächsten Jahren im Mumok mit privaten Sammlungen kooperieren. Es wird jedoch schwierig sein, Dauerleihgaben zu bekommen, da diese aufgrund der begrenzten Raumkapazität nicht langfristig präsentiert werden können.

 

Sie zeigen 2011 in Baden-Baden die Sammlung Herbert, die vor einiger Zeit Peter Pakesch im Kunsthaus Graz gezeigt hat...

Kraus: Aufgrund meiner überraschenden Berufung an das Mumok wurde diese Ausstellung abgesagt. Ich werde im Dezember meine letzte Ausstellung mit Daniel Buren in Baden-Baden realisieren. Sie wird jedoch in den nächsten Monaten so vorbereitet, dass ich mich ab 1. Oktober mit voller Kraft meiner neuen Aufgabe in Wien widmen kann.

 

Wenn man sich Ihre Interessen ansieht, bemerkt man überhaupt am ehesten Überschneidungen mit Peter Pakesch in Graz...

Kraus: Ich kenne Peter Pakesch seit Anfang der 90er-Jahre, als er noch eine Galerie in Wien betrieben und die ersten Ausstellungen mit Heimo Zobernig und Franz West realisiert hat. Das waren Ausstellungen, die mich nachhaltig beeindruckten.

 

Also darf man in den nächsten Jahren einen Schwerpunkt auf Minimal Art und Konzeptkunst erwarten?

Kraus: Die Sammlung des Mumok wird den Ausgangspunkt meines Ausstellungsprogramms bilden. Mein Konzept sieht vor, zentrale Künstlerpositionen aus der Sammlung mit retrospektiv angelegten Einzelausstellungen vorzustellen. Um die 60er-Jahre aber in gesamter Bandbreite aufzuzeigen, kann ich mir vorstellen, diesen Ausstellungszyklus mit künstlerischen Bewegungen der 60er-Jahre zu vervollständigen, die bisher nicht in der Sammlung vertreten sind. In diesem Zusammenhang werden sicherlich Positionen der Minimal Art und der Konzeptkunst vorkommen.

 

Es ist die erste Museumssammlung, die Sie betreuen. Werden Sie ihr mehr Platz einräumen – auf Kosten von Sonderausstellungen?

Kraus: Ich möchte jährlich vier Ausstellungen zeigen, die mit der Sammlung korrespondieren oder diese ergänzen.

Wird es einen fixen Raum für den Wiener Aktionismus geben? Diese Kunstrichtung kam Ihnen noch gar nie über die Lippen ...

Kraus: Der Wiener Aktionismus hat für Wien natürlich eine wichtige Bedeutung. Eva Badura-Triska bereitet für das Mumok eine große Aktionismus-Ausstellung vor, die von einer wissenschaftlichen Publikation begleitet wird, die das Nachschlagewerk über den Wiener Aktionismus darstellen wird. In gewisser Weise spiegelt der Wiener Aktionismus die Wiener Mentalität wider.

 

Und wie würden Sie diese Wiener Mentalität beschreiben?

Kraus: Philosophisch, exzessiv, lustvoll, nachdenklich, aber auch in gewisser Weise humorvoll.

 

Waren Sie schon einmal bei einem Orgien-Mysterien-Theater von Hermann Nitsch in Prinzendorf?

Kraus: Nein, aber ich war vor vielen Jahren einmal in der Otto-Mühl-Kommune am Friedrichshof. Ich besuchte die Eröffnung einer Ausstellung von Albert Oehlen und empfand die Situation als äußerst skurril. Es war ein unglaublich heißer Tag und es gab einen Badesee, der überfüllt war, vor allem mit nackten Damen, die ihre Babys stillten. Ich hatte damals eine große Diskussion mit Theo Altenberg über Treue und Eifersucht.

Werden Sie selbst viel kuratieren?

Kraus: Das Mumok hat sechs Kuratoren, die auch weiterhin kuratieren werden. Mir ist es aber wichtig, dass meine Handschrift sichtbar ist. Die Kuratoren werden die Ausstellungen also in enger Absprache mit mir kuratieren.

 

Haben Sie schon eine Wohnung in Wien?

Kraus: Nein, ich suche noch. Am liebsten in Fußnähe zum Mumok.


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