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Kunstberichte
Museum für Völkerkunde zeigt die Großausstellung "Wir sind Maske"

Wandelbares Gesicht

Faszination Maske: Die Ausstellung im Völkerkundemuseum wirft einen Blick auf deren historische Bedeutung, "Frau mit Maske" von Lorenzo Lippi. Foto: Angers, M. d. Beaux-Arts

Faszination Maske: Die Ausstellung im Völkerkundemuseum wirft einen Blick auf deren historische Bedeutung, "Frau mit Maske" von Lorenzo Lippi. Foto: Angers, M. d. Beaux-Arts

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Aufzählung Die Geschichte der Maske, sie ist gut 9000 Jahre alt, wird in der jüngsten Ausstellung im Museum für Völkerkunde in sieben Sektionen von Kuratorin Sylvia Ferino abgehandelt. Ein schwieriges Unterfangen, das den Besucher selbst am Ende vor den Spiegel stellt, nachdem einen der Künstler Daniel Spoerri vors "Maskenjoch" gespannt hat.

Die Schau "Wir sind Maske" konnte trotz Sparmaßnahmen als Zusammenarbeit der drei Museen (Kunsthistorisches, Völkerkunde und Theatermuseum) unter einem Dach, mit hinreißenden Leihgaben verwirklicht werden.

Am Anfang steht die Totenmaske, die wohl das zweite Gesicht erfunden hat – aus Stein im alten Israel, als ägyptische Mumienmaske bis zur Lebendmaske Mussolinis als Machtdemonstration und den Totenmasken Arnulf Rainers.

Maske in der Maske

Den Erinnerungsbildnissen folgt die mythische Medusenmaske, das kultische Verhüllen und Enthüllen bis zur Burka. Auch Medusenschilder und Helme sprechen von der Schutzfunktion der Masken. Dass Gian Lorenzo Berninis marmorner Medusenkopf aus Rom die zentrale Blickachse erleuchtet, ist ebenso erfreulich wie das berühmte Gemälde Maskierter mit einem Rhinozeros von Pietro Longhi.

Dazwischen liegt der Saal mit der Gegenüberstellung des antiken Dionysostheaters und dem japanischen No-Theater sowie Blicke nach Bali oder Java. Nach frühchristlichem und mittelalterlichem Theaterverbot weicht die Angst vor Verstellung, Lüge und Betrug hinter der Maske der Freude an der Commedia dell’Arte in der Renaissance.

Die Maskerade springt gerade in Venedig von der Bühne auf die Zuseher und so sind der Festkultur Gemälde, Stiche und Objekte gewidmet. In der Malerei wird die Maske Symbol der eigenen Tätigkeit, der Nachahmung der Natur – doch das gestärkte Künstlerego wird im 20. Jahrhundert nach der Psychoanalyse dem Zerfall in Ich und Es ausgesetzt. Prähistorische Tätowierung und Masken kehren nach Picassos Repliken auf Afrikas Kulte als Tätowierung und Chirurgie wieder – die Künstlerinnen Orlan, Birgit Jürgenssen oder Cindy Sherman spießen unsere wechselnden Einstellungen in Film und Foto auf.

Anregungen bekam Ferino zur Maskenschau auch von Arcimboldo und ihrer ersten Erfolgsausstellung "Roben und Rüstungen": Roberto Capuccis Karnevalskostüm mit Masken erinnert daran.

Es gibt also auch Masken in der Maske zu entdecken, zudem die Möglichkeit im Kindervermittlungsprogramm, selbst welche zu basteln, oder eine aus dem gewichtigen Katalog herauszuschälen.

Aufzählung Ausstellung
Wir sind Maske
Sylvia Ferino (Kuratorin)
Museum für Völkerkunde
bis 28. September

Printausgabe vom Mittwoch, 24. Juni 2009

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