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Kunstberichte

Veränderer der Kunstpolitik

Secession: Eine Retrospektive zum 75. Geburtstag von Oswald Oberhuber zeigt 200 Werke des Künstlers
Oberhuber stellt sein Werk vor: Ausschnitt aus

Oberhuber stellt sein Werk vor: Ausschnitt aus "Ich bin es" (1966). Secession

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Über Oswald Oberhuber zu schreiben bedeutet vieles: jahrzehntelange Präsenz in Kunstgeschichte und Geschichte in wesentlichen Institutionen wie der vormaligen Hochschule, jetzt Universität für angewandte Kunst oder der Galerie nächst St. Stephan. Dann seine Jahre als wichtiger Ausstellungsmacher, Rektor und Lehrer, in denen er internationale Persönlichkeiten wie Bazon Brock und Joseph Beuys nach Österreich holte, sind unvergessen.

Nicht zuletzt geht es nun aber um eine Ausstellung zum 75. Geburtstag des Ehrenmitglieds der Secession, die im Hauptraum und im Grafischen Kabinett stattfindet. Kurator ist der Direktor der Deichtorhallen in Hamburg, Robert Fleck, der mit Oberhuber schon in der Galerie nächst St. Stephan arbeitete. Gemeinsam haben sie wesentliche Stationen und Aspekte des Werks beleuchtet, die in der österreichischen Öffentlichkeit immer noch zu wenig bekannt sind. Das Haus im Haus der Biennale Venedig 1972 (mit Hans Hollein) steht da hinter den wuchernden frühen informellen Plastiken, die Oberhuber noch als Student der Kunstgewerbeschule am Dachboden in Innsbruck aus Gips, Draht, Holz oder Fetzen hergestellt hat.

Was darf Kunst sein?

Vorhanden sind bis zum Exponat des Mumok mit dem inhaltsweisenden Titel "Ende" von 1951 nur mehr ein kleiner Teil, doch tauchen da und dort noch welche in Kollegenkreisen auf. Sein Blick nach Frankreich und Amerika, weg von traditioneller Bildhauerei, hat sichtbar auf Nachfolger wie Franz West gewirkt.

Ergänzend ist die abgelehnte Arbeit im öffentlichen Raum (Innsbrucker Chirurgische Klinik), "Röhrenplastik", von 1969 aufgebaut worden. Sie bewirkte einen Kunstskandal und die Debatte darüber, ob eine Skulptur auch aus industriell vorgefertigten Materialien bestehen darf und damit Kunst sein kann.

Die frühen Materialbilder, ein paar neue schwarzgrundige Gemälde, einige Figurationen aus den Achtzigerjahren und neue Papierplastiken ergänzen die offene Ansammlung.

"Ich bin ein Dieb"

"Ich bin ein Dieb" hatte der Künstler mit einer Arbeit von 1969 auf die Freude an der Paraphrase in der kommenden Postmoderne prognostiziert. Mit Ironie platzierte er auch Buchstaben, Symbole, ganze Sätze oder Zahlen auf Bilder – zu einer Zeit, als hierzulande noch wenige von Konzeptkunst redeten. Auch damit hat Oberhuber die nachkommende Generation seiner Schüler stark beeinflusst, er machte aber auch auf die avantgardistischen Züge der Wiener Moderne um 1900 in der Kunstgewerbeschule aufmerksam und positionierte sie als Rektor in einen internationalen Rang. Seine Ausstellungen im Heiligenkreuzerhof, etwa "Wille zur Form" oder "Agnes Martin" sind heute legendär.

Es ist interessant, wie seine Vorgriffe auf die Arte-povera mit bemalten Fellen oder Brot neben der lyrischen Note seines Informel heute wirken: die Drahtplastik an der Stirnwand des Seitenschiffs im Hauptraum erreicht die Klassik des Olbrichbaus. Oder ist es das antikultisch wirkende Credo eines "Nebenprodukts", das heute besser verständlich ist?

Oswald Oberhuber : Der ewige Prozess der Geburt

Kuratiert von Oswald Oberhuber und Robert Fleck

Secession: Hauptraum, Grafisches Kabinett

26. 1. – 19. 2. 2006

Österreichs lebendigster Klassiker.

Secession: Eine Retrospektive zum 75. Geburtstag von Oswald Oberhuber zeigt 200 Werke des Künstlers

Donnerstag, 26. Jänner 2006


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