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Innsbruck:
Galerie im Taxispalais Vale EXPORT Metanoia oder eine andere Sicht der Dinge

 
   
   

23. September bis 14. Jänner 2000

Medienkunst ist in den letzten Jahren zu einer recht normalen Sache geworden. So normal wie der Triumph des Spektakels, in dem sich die Spannung komplexer Reflexion mehr und mehr auf die hartnäckige Wiederholung dürftiger Argumente reduziert. Die Retrospektive auf die Arbeit einer Pionierin der Medienkunst könnte in diesem Kontext leicht zur reinen Beglaubigung avantgardistischer Mythengeraten. Die Ausstellung in Innsbruck versucht dem durch sachliche und nüchterne Präsentation einer Reihe von Arbeiten zu begegnen.

Für die frühen Arbeiten lässt sich dabei feststellen, dass der provokative Gestus des "Tapp & Tastkinos", der wie die feministische Variante des Wiener Aktionismus erscheint, zusätzlich an medientheoretische Reflexionen anknüpft, die einen Gegenpol zu jener skandalträchtigen Wildheit abgeben. Am deutlichsten wird das vielleicht bei den "Adjungierten Dislokationen", die den Zusammenhang und das Auseinandertriften thematisieren - zwischen dem Körper, der sich eines Mediums bedient, und dem medialen Produkt, in dem er unsichtbar bleibt. Wenn die Regel die ist, dass der männliche Blick auf die passive, verdinglichte Frau gelenkt wird, dann durchkreuzen EXPORTs Experimente diese Verhältnisse mehrfach. Im "Tapp & Tastkino" blickt sie zurück und stellt damit die Grundlage einer dialogischen Situation (wieder) her, und in einer Reihe von Arbeiten wie "Splitscreen: Solipsismus", wo ein Boxer gegen sein Spiegelbild kämpft, oder "Facing a Family", wo nichts als eine Familie beim Fernsehen gezeigt wird, werden mediale Visionen auf ihre trivialen Wurzeln zurückgeführt. In dem Schuss Ironie, der vielen ihrer Arbeiten eigen ist, deutet sich die Komplizenschaft mit der anonymen Gruppe der MedienkonsumentInnen an, die gar nicht so passiv sind, wie es ihnen von den professionellen AktivistInnen gerne nachgesagt wird- denn gerade in der Wahrnehmung der Lächerlichkeit kommt ein ästhetisches Vermögen zum Ausdruck. Freilich darf die Gewalt, die bei der Aufteilung des sozialen Raums in verschiedene Gruppen im Spiel ist, nicht verkannt werden. Valie EXPORTs Ansätze zeichnen sich dadurch aus, dass sie den politischen Verhältnissen, die diese Gewalt reproduzieren, intensive Aufmerksamkeit schenkt. Vor allem die Installation "Violation - Schnitte - Beschneidung" (1995-2000), die sich mit dem aktuellen Missstand der Geschlechtsverstümmelung befasst, steht in einer Tradition politischer Aufklärung und stellt konkretes Bild- und Textmaterial in einen suggestiven Zusammenhang. Aber auch weniger offensichtliche Formen der Macht benennt und kritisiert sie, zum Beispiel in "Körper-Material-Interaktionen", die auf eigene Körperaktionen zurückgreifen. Wenn sie dabei ihren Körper einer symbolischen oder tatsächlichen Gewalt ausgesetzt hat, so zeichnete sich diese Geste immer auch durch eine Taktik der Irritation aus. Der Körper tritt damit sowohl aus dem Wahrnehmungsschema des ritualisierten Opfers als auch aus dem der essentialistisch gefassten Natürlichkeit heraus und demonstriert seinen glücklichen Eigensinn.

Letztlich wird hierbei auch die Grenze des Bereiches, der als politisch gelten darf, in Bewegung versetzt. Die Arbeit "Der Schrei" von 1994 fasst in diesem Sinn noch einmal die verschiedenen Ebenen, die so in Wechselwirkung versetzt werden können, zusammen. Die Stimme ist von jeher ein körperliches Phänomen, das die grobe Einteilung in Körper und Geist durchkreuzt. Der Mechanismus der Stimmlippen, der in einer großen Videoprojektion sichtbar gemacht wird, lässt sich nicht mit dem akustischen Komplex zur Deckung bringen, der durch ihr Zusammenspiel mit Atmung, Rhythmus, Tonhöhe etc. entfaltet wird. Dazu kommen noch die Sprache und die vielfältigen Differenzierungen, zu denen es beim Sprechen kommt. Um die Macht der Normierung zu unterstreichen, lässt Export aus einem zweiten Lautsprecher psychotische Stimmen tönen, die als Wellendiagramme visualisiert sind. Ein drittes Element lässt sich schließlich auch als Selbstreflexion der Medienarbeiterin interpretieren: In Laserprojektion werden Schriftzüge tibetanischer Mönche gezeigt, die sie aus der Gefangenschaft schmuggeln und so vor dem Verschwinden bewahren konnten. Einähnliches Schicksal könnte in unserer Gesellschaft der kritischen Reflexion bevorstehen, so dass schon die museale Archivierung ihrer ehemaligen Blüte als große Chance erscheint.

Michael Hauffen

 
     

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