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Kunstberichte
Liechtenstein- und Sigmund Freud-Museum: "Eros & Thanatos"

Die Macht der Triebe und die Nacht des Todes

Andrea Mategna zeigt die Triebe in "Bacchanal mit trunkenem Silen". Foto: Ak. d. bild. Künste

Andrea Mategna zeigt die Triebe in "Bacchanal mit trunkenem Silen". Foto: Ak. d. bild. Künste

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Aufzählung Wer glaubt, dass uns die Lust allein als Lebenstrieb genügt, sollte ins Sigmund Freud Museum pilgern und danach ins nahe Liechtenstein Museum oder umgekehrt. Die beiden Institutionen haben sich mit dem Kupferstichkabinett der Akademie der bildenden Künste zu einer anspruchsvollen Ausstellung vereint.

Zu Monika Knofler und Johannes Kräftner kommen zwei auswärtige Kuratoren: Die Psychoanalytikerin Jeanne Wolff Bernstein und der Kunsthistoriker Hannes Etzlstorfer.

In den zwei Häusern wird also die Balance von Sexual- und Todestrieb beleuchtet, die Freud seit seiner Schrift "Jenseits des Lustprinzips" von 1920 für unerlässlich hielt. Denn ein Trieb allein wirkt zerstörerisch, Glück allein macht stumpf. Wo, wenn nicht in Wien, auch die produktive Kraft des Todes mit Hilfe von Text und Bild beschwören?

Noch 1932 betonte Freud in seinem Brief an Albert Einstein, dass Eros und Thanatos die vielfältigen Erscheinungen des Lebens bedingen. Als Personifikationen von Liebe und Tod seit der Antike bevölkern sie die Bilderwelt.

In die Seele geschaut

Die Elementenlehre, gespiegelt auf die Seele, fand er 1937 beim frühgriechischen Philosophen Empedokles bestätigt, der wie er auf die Ambivalenz von Liebe und Kampf setzte. Die Kollegen verstanden Freud nicht. Mit den zeitgenössischen Künstlern Gustav Klimt und Egon Schiele hatte Freud keinen Kontakt, aber den gemeinsamen Wunsch, sexuelle Triebe in der verlogenen Ringstraßenkultur sichtbar zu machen. Heute sind deren erotische Zeichnungen sehr reizvoll den kleinen Antikenstatuetten gegenübergestellt, die Freud seine "dreckigen Götter" nannte.

Themenkreise wie "Begierde und Zerstörung", "Eigenliebe" oder "Gewalt und Krieg" bis zur "Selbstzerstörung" als letzter Konsequenz des Narzissmus, sind in beiden Häusern zu finden und mit erstklassigen Stichen nach und Bildern von Peter Paul Rubens, Cristofano Allori und Francesco del Cairo, aber auch mit Zeichnungen von Luca Giordano oder Bartolomeo Passarotti und Tizian bestückt.

Cairo ist mit seiner "Lucretia" dem Sadismus nahe – Nacht, Selbstmord und Tod fesselten den Lombarden. Die Exponate zu Mythologie und religiösen Historien könnte nicht besser sein. Auch Albrecht Dürers Melancholie-Stich oder das "Bacchanal mit trunkenem Silen" von Andrea Mantegna sind dabei. Ölbilder und Skulpturen stammen zumeist aus dem Liechtenstein Museum, das allerdings auch nicht arm an Grafik sowie Malerei auf Metall oder Porzellan ist. Man hat thematische Kreise vereint und aus dem leider nach wie vor heimatlosen Kupferstichkabinett üppig ergänzt.

Freud blickt nun auch als plastische Leihgabe durch die Liechtenstein’sche Bibliothek, und seine Bücher sind da und dort im bildnerischen Konzept integriert. Besucher können schmökern und mit Augen aufsaugen, was sie zu Liebes- und Todestrieb wie auch den destruktiven Seiten des gestörten Ausgleichs schon immer wissen wollten.

Aufzählung Ausstellung

Eros & Thanatos

Triebe, Bilder, Deutungen Liechtenstein Museum Sigmund Freud Museum Monika Knofler, Johannes Kräftner u. a.

(Kuratoren) Bis 13. Oktober

Printausgabe vom Samstag, 20. Juni 2009

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