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Das Palais

24.05.2007 | 18:31 | ALMUTH SPIEGLER (Die Presse)

Hinter S. schließen sich die Türen, der Lift fällt ins Schwerelose.

Ein Stock, zwei Stock, hinauf, hinunter, wer bemerkt schon, wohin die Fahrt einen trägt. Die Türen gleiten auf, kaum traut S. ihren Augen – in einem fensterlosen Saal hängen die kostbarsten Gemälde, Picasso, Renoir, Degas, Klee. Der Liftwart mahnt zum Aufbruch.

Hinauf, hinunter, erneut öffnet sich der Bauch des „Palais“: Großformate von Alex Katz, Georg Baselitz, Anselm Kiefer, alles was gut und teuer ist in der Kunst von heute schimmert hier in gedämpftem Kunstlicht.

Türen zu, jetzt, S. spürt es, geht die Fahrt hinauf, ganz hinauf – es dauert, bis das Auge die Helle erträgt. Dutzende weiß gewandete, glückliche Menschen tummeln sich hier im verglasten Dachgeschoß, der Sponsor-Lounge, nippen Schiele-Champagner, knabbern Klee-Kanapees, ein zartes Flugdach spendet Schatten. Hier erst sieht S., wie mächtig „Das Palais“ auf der Bastei geworden ist, längst schon unterirdisch verbunden mit dem Louvre in Dubai, wo um einige Leih-Millionen mittlerweile seit Jahren der Hase grast, dem Guggenheim Bilbao und Essl in Klosterneuburg.

S.'Blick wandert in die Ferne, zum ehemaligen Kunsthistorischen, das der Direktor des „Palais“ nach seiner zusätzlichen Berufung hierher gleich in „Schloss der Grafik“ umbenennen ließ. Schließlich brauche man Studien, um Gemälde zu verstehen. Außerdem habe Papier an diesem Haus Geschichte, denke man etwa ans Totenbuch des Chonsu-mes in der ägyptischen Abteilung. S. nickt, das klingt plausibel, und kauft im Shop noch zwei Buchstützen von Wotruba. Es war ein leichtes gewesen, auch dessen Nachlass an „Das Palais“ zu ziehen, wo die Tradition der Skulptur mit dem Musensaal nachweislich jeher schon gepflegt wurde.

Nach Übernahme aller anderen Bundesmuseen, S. erinnert sich lächelnd, sah dann endlich auch die Ministerin ein, dass man nicht mehr wegsehen könne. Und ließ die lang ersehnte Novelle zum Bundesmuseumsgesetz aufsetzen, in dem tatsächlich noch immer geschrieben stand, dass sich „Das Palais“ allein um drei Sammlungen zu kümmern hatte: Grafik, Fotografie, Architektur.


almuth.spiegler@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.05.2007)


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