23.07.2003 00:43
Grimassen der (männlichen) Macht
Die "Florentina Pakosta"-Schau in der Albertina weckt die Hoffnung auf
baldige Fortsetzung - Foto
Wien - Die Siebzigerjahre, eine Ölschock-gebeutelte und
aus den utopisch-psychedelischen Euphorien und Revolutionen der 60er sich
verabschiedende pessimistischere Dekade: In diese Zeit passten die Bilder von
Florentina Pakosta perfekt, obwohl die von ihr angewandten grafische Künste,
noch dazu schwarz-weiß, vordergründig nicht so trendy erschienen.
Aber
die Themen, alte und quasi ewige Themen, die zu der Zeit wieder aktuell waren,
kamen gerade recht. Und auch einigermaßen neue: "Gibt es eine Frauenkunst?",
fragte man anlässlich der von
Vorstandsmitglied Pakosta organisierten
Ausstellung mit bildenden Künstlerinnen, "Secessionistinnen 1978".
Austauschbare wie festgefahrene männliche Macht(gesten) fand(en) Einzug
in die Bildwelt der Pakosta, gefiltert zuweilen durch den Blick des genialen
Bildhauers Franz Xaver Messerschmidt, umgesetzt in konstruiert
geometrisch-symbolistischem Stil.
Psychologisch, realistisch
"Frühe Grafiken und Ölbilder (bis 1960) belegen ein vorwiegend
psychologisches Interesse. Von realistischen Zeichnungen gesellschaftlicher
Randexistenzen über expressionistische Bister- und
Bleistiftzeichnungen
führt die Entwicklung zur Auseinandersetzung mit
dem Werk des im 18.
Jahrhundert lebenden Bildhauers F. X. Messerschmidt", steht in Pakostas eigenem
Statement zu ihrem bisherigen Werk.
Seltsam entfremdete,
gleichgeschaltete, weil auch sämtlich glatzköpfig-entindividualisierte
Männerköpfe verschmolzen auf ihren in Mischtechnik gefertigten Tusche-Kreide-
Zeichnungen mit Gegenständen wie Scheren oder Revolvern: Varianten
von
"body extensions", wie sie Valie Export oder Maria Lassnig erdachten, jedoch
nicht wie bei jenen auf den eigenen Körper bezogen. Heute kann man auch
Vorgriffe auf Gentechnik-Experimente daraus lesen - das konnte man allerdings
schon bei Hieronymus Bosch.
Der Einzelne und die Masse
Einzelne in der Masse sowie totalitäre Strukturen finden sich in
Pakostas so genanntem "sozialkritischem Realismus". "Florentina Pakosta - eine
Künstlerin als Zeugin republikanischen
Sachverhalts" titelte ein
Angewandte-Professor einen Katalogtext über die Künstlerin. Letztere (nie
vordergründig) kritischen
Arbeiten findet sich leider nur mit einem Bild
in der jetzigen Albertina- Ausstellung anlässlich ihres 70. Geburtstages.
Schön, ihre akkurat vermessenen Gesichter vom "gebrochenen
Selbst" bis "Ich bin doch wer!" abzugehen, ihre nahezu klassischen,
überdimensionalen Handstudien. Wie aktuell und kraftvoll
ihre jüngste
Produktion ausfällt, wird leider vorenthalten. Die zeitlos anmutenden,
kraftvoll-konstruktivistischen "tricoloren Bilder", welche Elfriede Jelinek
übrigens in einem "Brief an
Florentina Pakosta" im Jahre 1998 beschreibt
und deutet, fehlen hier.
Bleibt die Hoffnung auf baldige Fortsetzung,
eine richtige Personale. (dok/ DER STANDARD; Printausgabe, 23.07.2003)