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Liberation Art Project

Die Helden von Pöllau und die Sprache der Kunst

Kommentar der anderen  |  10. Juni 2011, 18:38

Worin liegt das Problem, die Namen jener Menschen lesbar zu machen, die für die Befreiung vom NS-Regime ihr Leben opferten? - Zur Entstehungsgeschichte eines Gedenkprojekts und seiner drohenden Verhinderung

Im Fernsehen sah ich einen Veteranen der US Army, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, japanische Fahnen in ihr Herkunftsland zurückzuschicken. In diese mit Grüßen, Wünschen und Anfeuerungen der Angehörigen beschriebenen Fahnen gehüllt, waren japanische Soldaten in den Kampf gezogen, US-amerikanische Soldaten hatten sie den getöteten Feinden abgenommen. Ich sah auch eine Frau, die eine solche Fahnenschürze beim Ausräumen des Hauses ihres verstorbenen Vaters fand, auf den Veteranen stieß, sie retournierte und einen Brief aus Japan bekam, in dem sich Nachfahren eines getöteten Soldaten für das Andenken bedankten. Ich war verblüfft über diese Geste und verstand auch jene, die sie ablehnen.

Ähnlich muss es dem Künstler Josef Schützenhöfer ergangen sein, als er in den Vereinigten Staaten auf einen Marinefriedhof stieß, in dem neben den Soldaten der US-Navy deutsche Marinesoldaten begraben liegen - mit Grabsteinen, Namen, Lebensdaten. Als er in der oststeirischen Gemeinde Pöllau auf die Geschichte jener US-Fliegerpiloten stieß, die von Nazis abgeschossen wurden, malte er stellvertretend das Portrait eines gewissen Harry Moore, der im Zuge der Befreiung Österreichs sein Leben in der Oststeiermark lassen musste. Die Gemeinde war an dem Bild - das mittlerweile von der steirischen ÖVP gekauft und ausgestellt wurde - nicht interessiert. Nur Schützenhöfer ließ nicht locker, reiste in die Vereinigten Staaten, traf alte Männer, die die Befreiung Europas vom Nationalsozialismus überlebt hatten, besuchte Hinterbliebene der Toten und recherchierte weiter.

Gemeinsam mit dem Literaturwissenschafter Klaus Zeyringer initiierte er das "Liberation Art Project", das den gefallenen Piloten der US-Army, gleichsam als Korrektiv zum Kriegerdenkmal für die Gefallenen der deutschen Wehrmacht, ein Denkmal in Pöllau setzen und Stipendien für Künstlerinnen und Künstler aus den Staaten der ehemaligen Alliierten ausschreiben will. Die Stipendiatinnen und Stipendiaten sollen eine Zeitlang in Pöllau leben, arbeiten und das kulturelle Leben - gelinde gesagt - bereichern. Am 18. Juni wird das Denkmal, ein Objekt, das Schützenhöfer mit zwei Künstlern aus den Vereinigten Staaten schafft, in Pöllau aufgestellt. Über den Sommer wird sich eine US-Künstlerin vor Ort mit der Geschichte befassen.

Dass die Initiatoren des Projekts ein Personenkomitee ins Leben rufen mussten, dass Schriftstellerinnen und Schriftsteller eine folgenlos gebliebene Petition unterschrieben, dass eine zweite Unterschriftenwelle nachkommen wird, um das Projekt nicht zu gefährden und gleichsam seine Legitimität zu bezeugen, ist zum Schreien und bestätigt im Nachhinein jene Befürchtungen, die diese Schritte überhaupt erst veranlassten.

Anfangs erklärte der Bürgermeister, man müsse die Einwilligung des Kameradschaftsbundes einholen, was für die Initiatoren natürlich nicht in Frage kam, bevor er alle vorgeschlagenen Orte für das Denkmal ablehnte, um einen Platz im Schlosspark anzubieten, der am Tag der Enthüllung nur mit Eintrittskarte zu betreten ist - wegen einer Gartenmesse, die seit langem auf der Website der Gemeinde angekündigt ist. In unmittelbarer Nähe feiert die örtliche Volkspartei die Sonnenwende, zum Zeitpunkt der Enthüllung startet das Kinderprogramm mit Hupfburg, Animation und Lagerfeuer. Von Josef Schützenhöfer werden auf einmal Tourismusabgaben verlangt, außerdem wurde gefordert, der Künstler solle in Zukunft auf verbale Attacken sowie das Karikieren von Gemeinderäten verzichten, was nach dem Karikaturenstreit als Karikaturverbot in die Geschichte eingehen könnte.

Während vor wenigen Jahren die Halle das Turnvereins mitsamt den 1933 in Hakenkreuzform an die Wand gemalten Frisch-Fromm-Fröhlich-Frei-Fs Turnvater Jahns und einem ein Schwert im Maul tragenden Adler restauriert wurde, lehnt man es ab, auch nur einen Euro für ein Projekt beizusteuern, das die Namen der gefallenen Befreier ins Gedächtnis rufen und internationalen Künstlerinnen und Künstlern Arbeitsmöglichkeiten in einer Gemeinde geben will, die sich in erster Linie über ihre schöne Landschaft definiert, in ihrer Internetpräsenz aber auch von der Geschichte zu berichten weiß: "Unter den Armeen der Befreier, vor allem amerikanische Piloten und Rotarmisten, führten die Kämpfe rund um Pöllau kurz vor Kriegsende zu Verlusten. Jüdische Opfer der nationalsozialistischen Terrorherrschaft, die von einem nicht geringen Teil der Bevölkerung gestützt wurde, gab es in Pöllau nicht."

Dass Pöllau schon lange vor 1938 mit dem Hinweis, die Gemeinde sei "judenfrei", um Sommerfrischler warb, wird ebenso wenig erwähnt wie Einsatz und Opfer der Freiheitskämpfer und Partisanen vom nahegelegenen Masenberg, die von einem großen Teil der Bevölkerung noch immer als Verräter betrachtet werden.

Nur eine Provinzposse?

Liest man Auszüge aus der Korrespondenz zwischen Organisatoren und Bürgermeister, fragt man sich, ob Dummheit, Sturheit oder ein nur allzu bekanntes Geschichtsbild die Herren in Pöllau antreibt, das Liberation Art Project nach Kräften zu hintertreiben.

Man könnte all das für eine Provinzposse halten, wenn nicht die untergründige Logik erschaudern ließe, wonach die Namen der toten Befreier, die eine bestimmte Überlieferung Feinde nennt, nicht zu nennen seien. Dass der Bürgermeister seine Befürchtung kundtut, Josef Schützenhöfer könnte Hakenkreuze in seinem Kunstwerk verstecken und somit Propaganda für den Nationalsozialismus betreiben, ist nicht nur lächerlich. Die Logik, das, was man als Eigenes versteht, so verheerend es gewesen sein mag, über das als fremd verstandene Gute zu stellen, schreckt nicht einmal davor zurück, das Kleid des Antifaschismus anzuziehen, um ein Denkmal für die Bezwinger des Faschismus zu verhindern.

Vielleicht aber kann Bürgermeister Schirnhofer von der Österreichischen Volkspartei eine einfache Frage beantworten: Worin liegt das Problem, die Namen jener Menschen lesbar zu machen, die ihr Leben für die Befreiung Österreichs vom Nationalsozialismus lassen mussten? Es ist davon auszugehen, dass sie das schöne Pöllau lieber als Sommerfrischler gesehen hätten. (Kommentar der anderen, Clemens Berger, DER STANDARD Printausgabe 11./12./13.5.2011)

Weitere Beiträge zu diesem Thema:

Colette M. Schmidt: "Das ewige Lied vom Hakenkreuz"

STANDARD-Interview: "Du warst ziemlich aufmüpfig"

Clemens Berger, Jg. 1979, lebt als freier Schriftsteller in Wien. Zuletzt erschienen: "Das Streichelinstitut"

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Posting 1 bis 25 von 27
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14.06.2011 14:07
ein posting in das »Gästebuch« ist sicher auch nicht verkehrt:

http://www.marktgemeinde-poellau.at/?navi=39

Es fehlen 3 Denkmäler ?

Denn Sinn dieses Artikels habe ich nicht ganz begriffen. Fehlen etwa 3 Denkmäler, eines in Salzburg für die gefallenen Soldaten der USA, eines in Innsbruck für die gefallenen Soldaten Frankreichs und eines in Graz für die gefallenen Soldaten Großbritanniens, wie es bereits eines in Wien gibt für die gefallenen Soldaten der Sowjetunion ? Oder fehlt ein Denkmal am Heldenplatz in Wien für die österreichischen Deserteure und für die österreichischen Widerstandskämpfer ?

13.06.2011 14:42
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Mein Großvater ist am 30. April 1945 in Pöllau gefallen.

Die Bombe eines russischen Tiefflieger hat ihn zerissen.

13.06.2011 16:10
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na und? und deswegen ist es gut so wie es ist? die anderen waren die bösen und die unsrigen nur fehlgeleitet?
darf die rolle des großvaters nicht hinterfragt werden, nur wel es unser großvater ist? sind wir wirklich so verstockt, die wahrheit nicht erkennen zu wollen?
warum sind die widerstandskämpfer so verhaßt? weil sie dem großen rest ihre schuldhaftigkeit vor augen führte ...

13.06.2011 14:40
Mein

13.06.2011 11:55
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Es ist wohl wider an der Zeit meinen Freund David Hume (Philosoph, Reisender, Historiker 1711-76) zu zitieren, David Hume über die Steiermark:

"So sehr wie das Land in seiner Wildheit angenehm ist, so sehr sind die Bewohner unzivilisiert, deformiert
und grässlich in ihrer Erscheinung. Sehr viele von ihnen haben hässlich geschwollene Kehlen: Debile und Taube drängen sich in jedem Dorf, und das allgemeine Aussehen dieser Menschen ist das schockierendste, was ich je sah.
Ihre Tracht ist kaum europäisch, ihre Gestalt kaum menschlich zu nennen"

13.06.2011 12:26
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wiEder

12.06.2011 17:27
jämmerliche

gemeinde(vertreter)

Cooper the Bloom1
 
11.06.2011 20:32
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Was ist das für ein Land???

Es ist einfach nur traurig, widerlich und beschämend! Hat die Bildungspolitik dermaßen versagt, daß solche Kretins eine Mehrheit finden? Wie kommen solche Recken an solche Positionen? Was finden diese Leute am Nationalsozialismus so gut, daß sie ihm noch 70 Jahre danach die Stange halten??? Fragen über Fragen...

KunstkommtvonKunst
11.06.2011 19:32
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Die Oststeiermark ist halt ein dumpfes Gebiet.

In Birkfeld wurde lange abgelehnt, einem ermordeten Widerstandskämpfer eine Gedenktafel zu setzen. Jetzt gibt es eine, aber nicht am Hauptplatz wie gefordert, sondern versteckt am Pfarrhof. Aber dafür ist halt Wenigzell das schönste Blumendorf Österreichs ...

Fantastic Fox
12.06.2011 18:35
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WenigZell

heisst eben nicht VielZell.
Der Name zeugt davon, dass in diesem abgeschiedenen Dorf seit Menschengedenken nicht unbedingt Geistesriesen wohnen.

Das El Dorado der Schoenheitschirurgen. Bekannt fuer die Abbildung seiner Bewohner vorne auf alten Metallica-T-Shirts.

Ich hasse diesen Ort.

11.06.2011 16:04
brrr.....

...die dortige övp fraktion tritt uniformiert an.

http://www.marktgemeinde-poellau.at/?navi=18

13.06.2011 18:13

Nicht nur die ÖVP-Fraktion, auch die Roten...

12.06.2011 19:28

hey, da ist ja der kollge rechberger! :-)

11.06.2011 16:37
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Heinz Friedrich gfallt ma am besten.

und dass er für den kulturausschuss zuständig ist.....

11.06.2011 15:18
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danke!!

hrn schützenhofer vor allem, aber auch dem standard für die berichterstattung!

11.06.2011 12:14
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Vaterlandsverräter! Vaterlandsverräter!

pflegte mein Grossonkel heldengedenkenden Wehrmachstangehörigen zuzurufen…

Verräter an Österreich, Ahnungslose aber nicht ungefährlich.

Und klarologo blöd wie die Nacht plus Sonnenfinsternis finster ist: Verzichten doch mit hurrah womöglich auch noch auf Reparationen aus Deutschland, das ja ganz demokratisch in Österreich einmarschierte! Und genau das Gesindel, das Juden das Strassenwaschen erst unter dem Schutz der Wehrmacht anzuschaffen sich getraute!

11.06.2011 08:42
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Das wundert mich überhaupt nicht

Bin selbst in der Oststeiermark geboren und aufgewachsen und kenne daher diese faschistoiden Verhaltensweisen der dortigen Bevölkerung.
Bürgermeister Schirnhofer hat sicher eine satte Mehrheit hinter sich, die die selbe Meinung vertritt.

11.06.2011 08:19
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Diese Debatte ist zwar eine notwendige, aber sicher eine vergebliche

Was hier aufeinander prallt, ist der Unterschied zwischen offizieller Geschichtsauffassung und der persönlich, familiär transportierten Erinnerung an diese Zeit.

Leider haben ganz viele Menschen und mit ihnen die Nachgeborenen aus diesen Familien, den Nazi-Wahnsinn nicht als fremd oder schädlich wahrgenommen. Die Propaganda wirkt in diesen Menschen immer noch nach. Die Befreiung wurde zwar hingenommen, aber eigentlich als Niederlage empfunden. Die Nazis hätten nach dem Krieg viel länger von Ämtern fern gehalten werden müssen, damit ein Nachdenkprozess einsetzen kann. Ist leider nicht passiert. Darum müssen wir uns noch heute mit dieser Zeit herumschlagen.

Beobachter zweiter Ordnung
11.06.2011 16:35
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das Problem ist, dass die Geschichtsauffassungen nicht einfach "unterschiedlich" sind, sondern die eine ist inhaltlich falsch und ethisch eine Katastrophe! Schon allein diese Gleichstellung der beiden Auffassungen ist ein Teil des Problems, das Öster

11.06.2011 18:55
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Ich glaube, Sie haben den Vorposter nicht ganz verstanden. Dessen Anmerkungen sind übrigens aus meiner Sicht zutreffend, mit evtl. der Ergänzung, dass gerade am Land (und viel weiter am Land als in der Oststeiermark geht ja kaum) viele Menschen schlicht komplett unpolitisch waren und vom "Nazi-Wahnsinn" nicht viel mitgekriegt haben, bis plötzlich "die Russen kamen".

12.06.2011 13:07

wenn die leute dort so "unpolitsich" waren, dann sollten sie erst recht "gut" von "schlecht" unterscheiden können und nicht nationalsozialistisch verblendet sein.

12.06.2011 14:41

Es gab auch dort Anhänger der Nazis (ebenso der Kommunisten etc.), aber der Großteil der Bevölkerung war und ist unpolitisch, die hätten am liebsten "ihre Ruh". Vom WK2 haben diese Schichten die meiste Zeit nur mitgekriegt, dass die Männer in den Krieg mussten und auch fielen. Das war ja nun an sich nichts Ungewöhnliches; so lange Friedenszeiten wie wir sie kennen gab es früher nicht. Von der Lebensmittelknappheit blieb man am Land eher verschont, und Industrie gab es dort kaum. Daher sind die Haupterinnerungen an den Krieg:
- Die toten Männer.
- Die Zerstörungen der Aliierten und die Besatzung durch die Russen.
Beides negativ für die Befreier. Ungerecht, aber so ist das leider. Hat aber nichts mit Nationalsozialismus zu tun.

11.06.2011 08:10
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Eine österreichische Perle

Ohne jetzt die Darstellung der "Gegenseite" zu kennen: Unglaublich. Widerlich.

11.06.2011 15:17
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doch!

die darstellung der "gegenseite" kennen wir alle! leider!!

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