Monat der Fotografie in der Sammlung Verbund:
Werke von Loan Nguyen
Leidenschaftlich gelassen
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Ästhetische Fragen nach dem Marginalen: Die zartpoetischen Arbeiten der
Künstlerin Loan Nguyen in der Vertikalen Galerie des Verbunds. Foto:
Nguyen /Sammlung Verbund, Wien
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Von Brigitte
Borchhardt-Birbaumer
![Aufzählung Aufzählung](00091377-Dateien/wzfeld.gif)
Im
Morgenlicht steht eine Frau an einem Wasserbecken in nebelverhangener
Landschaft und beugt sich ganz leicht vor. Neben einem Strandhaus mit
verschlossenen Läden lässt sie Sand durch ihre Finger gleiten. Sie
umfasst einen Baumstamm, fährt mit einem Finger entlang einer Brüstung,
lehnt sich gegen den Wind, dann entlang einer Schattenkante an die Mauer
um einen Tennisplatz. Absolut unaufgeregt, wenn auch nicht ohne
emotionale Spannung in den minimalen Gesten, sind die C-Prints von Loan
Nguyen, von denen nur einige wenige großformatig ausgearbeitet werden.
Die Künstlerin ist 1977 geboren, in Lausanne aufgewachsen und hat in
Vevey Fotografie studiert; zur Schweizer Mutter hat sie einen
vietnamesischen Vater. Mit ihm ist sie kürzlich in seine Heimat
gefahren, und so ist ein Teil der Ausstellung in der Vertikalen Galerie
der Sammlung Verbund dem Aspekt dieser Reise gewidmet.
Eine Verbeugung vor der Natur
Dabei tritt in postkolonialistischen Zeiten natürlich eine
Auseinandersetzung mit der anthropozentrischen Kunst des Westens seit
der Renaissance in den Vordergrund. Aus ihrer individuellen
Zwischenposition heraus will Nguyen nicht mehr den Menschen im
Mittelpunkt sehen: Die Künstlerin versucht, Landschaft, Objekte und
Tiere auf eine gleichwertige Inhaltsebene zu heben.
Nguyens performative Auftritte in ihren Fotos sind nur ein
meditatives Verharren: Trotz Inszenierung ist die Geste mehr eine
Verbeugung vor der Natur, im Grunde aber noch mehr eine neutrale
Stellung zur Welt.
Ohne große Leidenschaft, Dramatik, Attitüde, ohne Maske oder Kostüm
bleibt die Akteurin Teil eines Orts, dem sie Bedeutung gibt, mit einer
zarten Nuance ohne Pathos. Viele Räume sind in ein helles Licht
getaucht, es werden auch Autos und Architekturen untersucht, die anonym
zwischen Stadt und Land ungeklärte Winkel bilden, wie etwa in
"Triangel". Ein weißes Holzhaus in Japan steht zwischen Betonbrücken,
Straßen und Hochhäusern als Solitär einer vergessen anmutenden Welt.
Außen und Innen lösen sich zuweilen auf, etwa in der Arbeit "Paysage
de montagne" durch die rätselhafte Anbringung eines Bildes an einer
Mauer. Hier stellt sich auch die Frage nach Orten, die der Kunst
gegenüber neutral wirken.
Bedeutungsloses lädt sich auf
In den Reisebildern gibt es keine Sozialkritik, mehr eine ästhetische
Frage nach dem Marginalen. Immer schwingt die Wahrnehmungsfrage mit,
Gegensätze heben einander auf. Kuratorin Gabriele Schor zieht dafür
Roland Barthes heran, der den Begriff "Neutrum" definierte als ein
"Prinzip des Zartgefühls". Bei Nguyen wäre das auch ihre
"leidenschaftliche Gelassenheit", mit der sie sich zwischen Ost und West
stehend oder schwebend zeigt.
So geht sie einen neuen, dritten Weg in der Fotografie, lässt die
Dinge offen wie im Bild "Cercle", das im Kreis tanzende Menschen am
Strand zeigt: Da geht es um kein altes Ritual, sondern um die
Aufwärmübung von Surfern. Doch denkbar scheint beides. Bedeutungsloses
lädt sich auf: vergleichbar dem Haiku als poetische Form.
Ausstellung
Loan Nguyen – Prinzip Zartgefühl
Gabriele Schor
(Kuratorin)
Vertikalen Galerie/Verbund
1010 Wien, Am Hof 6a
Bis
30. März
Printausgabe vom Mittwoch, 10.
November 2010
Online seit: Dienstag, 09. November 2010 18:04:00
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