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Kunstberichte
Albertina: "Body & Language", ein Überblick über die Sammlung zeitgenössischer Fotografie

Lässig in die Suppe gespuckt

John Coplans: Interlocking Fingers No. 6 (1999). Foto: Albertina Wien/Coplans/Peter Ertl

John Coplans: Interlocking Fingers No. 6 (1999). Foto: Albertina Wien/Coplans/Peter Ertl

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Aufzählung Als "Schneise" durch die Fotosammlung der Albertina bezeichnet Klaus Albrecht Schröder die von ihm selbst und von Antonia Hoerschelmann getroffene Auswahl unter dem Thema "Body & Language."

Die Konfrontationen von männlicher und weiblicher Sicht – der Star der Modefotografen Helmut Newton kontra Biennalebeiträgerin Elke Krystufek – lassen einige Puppen antanzen. Krystufek etwa setzt neben ihren fotografischen Selbstbefindlichkeiten ein Exemplar Marke Schaufenster in einen textilen Käfig. Newton wurde mit den "Big Nudes" von den lebensgroßen Fahndungsfotos der Baader-Meinhof-Gruppe angeregt und nannte seine Zubereitungen von Models für männliche Voyeure zuerst "Terroristinnen".

Daneben wirkt Gottfried Helnwein, der um 1990 eine schwarzweiße Serie berühmter Männer vom umstrittenen Nazibildhauer Arno Breker bis zu Rockstar Mick Jagger anfertigte, geradezu sachlich. Frauen kommen bei ihm nicht vor. Der Männlichkeitswahn wird aber etwa durch die Konfrontation eines Hartknochens wie Clint Eastwood mit Andy Warhol auf die Probe gestellt.

Voller Ironie sind die Leihgaben aus dem Volpinum und Werk-Serien von Erwin Wurm im Portikus. Zu den "One-Minute-Sculptures", bei denen auch das sprichwörtliche "In die Suppe spucken" aufs Korn genommen wird, kommen eine Staubskulptur und ein plastisches Butterbrot. Das Foto kombiniert auf absurde Weise Allerweltsgegenstände mit dem Körper. Auch mit weiblichen wie männlichen aus Mülltonnen und Mauern ragenden Beinen verwirrt uns Wurm nun schon seit zwei Jahrzehnten und findet damit auch international Beachtung.

Dem Ernst des Alters widmete sich John Coplans: Von den Einzelteilen seines Körpers fehlt der Kopf, dafür werden Füße und Hände überhöht, verdoppelt, in Serie gesetzt. Diptychen monumentalisieren bei Marie-Jo Lafontaine ebenso schwarzweiße Porträts einer zu hinterfragenden Jugendkultur. Chuck Close gibt mit einem Leporello von Freundesporträts Einblick in seine minimalistisch-konzeptuelle Seite abseits der Pop-Art, der seine Malerei zugeordnet wird.

Insgesamt also ein direktoraler Überblick über die Sammlung – ohne Inanspruchnahme seiner wissenschaftlichen Fotospezialistin und auch ohne begleitenden Katalog. Vielleicht als sommerliches Highlight für Touristen gedacht – wirklich befriedigend aber ist die Schau nicht.

Aufzählung Ausstellung
Body & Language
Zeitgenössische Fotografie aus der Albertina
Klaus A. Schröder, Antonia Hoerschelmann (Kuratoren)
Albertina Pfeilerhalle
Zu sehen bis 27. September

Printausgabe vom Freitag, 19. Juni 2009


Kommentare zum Artikel:

29.06.2009 Irgendwie schade...
... dass man nicht mehr Zeit hat, um sich alle Ausstellungen in der Albertina genau anzuschauen. Schließlich gibt`s momentan nicht nur die Fotoausstellung, sondern auch noch die Sammlung Batliner zu sehen.
Bodo
22.06.2009 neues entdecken
Der Körper lässt sich ja in einer Vielzahl an Möglichkeiten darstellen und genau das ist der Albertina mal wieder gelungen, sehr viele unterschiedliche Positionen und Blickwinkel auf den Körper, seine Masse, seine Befindlichkeiten und die Sprache die er spricht!
Angelique
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