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Kunstberichte

Kunsthalle am Karlsplatz: "Mahrem. Anmerkungen zum Schleier" – Positionen zum Symbol des Islam

Blick durch Fatimas Rosenfenster

Vierzig Zöpfe bilden Mandana Moghaddams „Chelgis I“.  Foto: Ellie Hochdörfer/Kunsthalle Wien

Vierzig Zöpfe bilden Mandana Moghaddams „Chelgis I“. Foto: Ellie Hochdörfer/Kunsthalle Wien

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Das türkische Wort "Mahrem" bedeutet auf Deutsch diskret, geheim, intim vertraulich. Mahrem meint den Schleier – und damit eine Trennlinie zwischen einem intimen und einem öffentlichen Bereich. In den mitteleuropäischen Sprachgebrauch ist Mahrem – anders als Tschador – nicht eingedrungen. Wohl aber in Form einer Ausstellung in die Kunsthalle Karlsplatz.

Die Ausstellung "Mahrem. Anmerkungen zum Schleier" hatte ihre erste Station in der Bilgi Universität von Istanbul und wird nun, leicht adaptiert durch die Kuratoren Emre Baykal und Angela Stief, für den hinter einer Ornamentfolie verborgenen "project space" aus Glas übernommen.

Vor dem Containerbau hatte sich vor wenigen Wochen ein zweimaliger Ikonoklasmus des 21. Jahrhunderts ereignet: Olaf Metzels nackte Frauengestalt mit Kopftuch mit dem Titel "Turkish Delight" wurde umgestürzt und beschädigt.

Eine Diskussion über die Grenzen von Kunst, Moral, Religion, Freiheit und Feminismus in der globalisierten Moderne hatte aber schon zuvor massiv eingesetzt. Hier sollen nun weitere Gesprächsrunden von Künstlern, Soziologen, Politikern und Glaubensvertretern neue Definitionen suchen und finden.

Vorwiegend Künstlerinnen haben zum Schleier völlig unterschiedliche Haltungen. Deshalb ist Kutlug Atamans bekannte Vierfach-Video-Projektion zu "Women Who Wear Wigs" ebenso eng mit dem Thema verknüpft wie die Haarfigur "Chelgis I" mit vierzig Zöpfen der in Schweden lebenden Iranerin Mandana Moghaddam. Was für die einen Frauen wie ein Zwang ist, kann für die anderen identitätstiftend in einem fremden Land sein. Sich vor den Blicken der männlichen Gesellschaft zu schützen ist eine Sache, fundamentalistischer Ausschluss von Frauen aus der Öffentlichkeit eine andere.

Grenzlinien für Frauen im Tschador

Die Schilderserie der in Deutschland lebenden Iranerin Parastou Forouhars, diskutiert die Grenzlinien für Frauen im Tschador in ihren Facetten. Die Vielschichtigkeit entbehrt nicht der Komik: Nezaket Ekici inszeniert einen hektischen "Schleierkampf" und eine Videoperformance zur modischen Auseinandersetzung mit dem aktuellen Symbol des Islam und zeigt 25 Kopftücher mit Ornamenten und die Kunst des Anlegens.

Samer Barkaoui aus Syrien lässt drei verschleierte Mädchen auftreten, die einander immer im Duo filmen und kichernd feststellen, dass man sie nicht unterscheiden kann. Die Stoffmuster (Eslimi) können auch Messer, Scheren oder stilisierte Genitalien zeigen: Verdrehung ist allgegenwärtig, was dem einen heilig, ist dem anderen fremd und verhasst.

Die hölzernen Gitterornamente vor den Hausfenstern (Mashrabiya), durch die Frauen ungesehen nach draußen blicken können, überträgt Samta Benyahia auf das Glas der Kunsthalle – "Fatimas Rosenfenster" erinnert wie die große Fotoarbeit eines Vorhangs, "Freitag" von Forouhar, an das traditionell positive Verhüllen vor der Sonne und vor neugierigen Blicken. Aus dem schwarzen Tschadorstoff mit Muster greift eine Hand und spielt auf die vermehrte Bedeutung des Sichtbaren an. Die Vorstellungen von Erotik sind in Abend- und Morgenland unterschiedlich, aber die Frauen im Tschador sind eben in Europa besonders sichtbar.

Die Radikalisierung der Debatte über die auffallende Verhüllung zeigt aber auch, dass Transformationen in der Argumentation stattfinden müssen – und zwar auf beiden Seiten. Die Nähe von Kunst und Sprache ist ein guter Anfang.

Mahrem. Anmerkungen

zum Schleier

Kunsthalle Karlsplatz

Zu sehen bis 16. März

Kritik an Stereotypen.

Donnerstag, 24. Jänner 2008

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