Säulenhalle des Parlaments: Aktuelle Fotografie aus Niederösterreich
Zur Entlarvung der Pathosformeln
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Frauenbilder, die "KO-Existenz" von Andrea Kalteis. P. Böttcher
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Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer
Die Kulturabteilung des Landes Niederösterreich zeigt noch bis 10.
Juni einen Teil ihrer Kunstankäufe unter dem Motto "Aktuelle Fotografie
aus Niederösterreich".
Fotografie wurde deshalb ausgewählt, weil die Vielfalt in diesem
Medium besonders groß ist und die eigenständige Autorenfotografie seit
den 90er Jahren den Kunstmarkt wie die Ausstellungen und Museen
erfolgreich erobert hat. Ein interessanter Diskurs ergibt sich zwischen
Malerei und Fotografie, wie ihn hier die Arbeiten von Eva Schlegel,
Maria Hahnenkamp und Herbert Brandl vorführen. Bei Schlegel wird mit
der Unschärfe von Gesichtern und Schrift, aber auch auf Fragen der
Wahrnehmung verwiesen, die ebenso für Jutta Strohmaier, Katarina
Matiasek und Inge Dick einen hohen Stellenwert haben. Während Letztere
mit großen Polaroidkameras seriell den Wechsel des Lichts während eines
Tages in malerische Farbabstufungen wandelt, nimmt Strohmaier das
Satellitenfoto eines Berges aus dem Internet und projiziert es auf das
Modell einer Landschaft. Dieses Konstrukt macht mit seiner rätselhaften
Verquickung von Künstlichkeit besonders neugierig.
Eine andere Reflexion zwischen den Disziplinen ist die von Foto und
Skulptur. Hans Kupelwieser verwendet dazu die alte Technik des
Fotogramms, Marianne Maderna erweitert den Blick in die Natur und Erwin
Wurms fotografierte Ein-Minuten-Skulpturen sind auch von der Aktion der
Modelle mitgetragen; zur Verwunderung kommt die Ironie im erweiterten
Feld früher eng gesteckter Kunstgattungen. Künstlerinnen wie Maria
Hahnenkamp oder Andrea Kalteis agieren auch mit Befragungen des
weiblichen Körpers; das Rollenspiel und die Frage nach der eigenen
Identität kommen hinzu. Dabei stickt Kalteis bunte Flächen über die
Fotografie und stellt damit auf ironische Weise typisch weibliche
Tätigkeiten in Frage; ihr Kollege Sébastien de Ganay verwendet zum
Sticken sogar Säure und Fotochemie zur Dekonstruktion.
Das Duo Julius Deutschbauer/Gerhard Spring tritt performativ auf und
macht sich über die große Neigung der Österreicherinnen und
Österreicher zur Pathosformel lustig. Insgesamt also eine Fotografie
nach dem Paradigmenwechsel der 80er Jahre: nicht mehr Abbild der
Wirklichkeit, sondern eine eigene Kunstform, die über die Dokumentation
und Fragen der Reproduzierbarkeit längst hinweggekommen ist.
Freitag, 20. Mai 2005