Die Ausstellung "Farewell to Longing" im Kunstraum Niederösterreich
Heimat, der verlassene Ort
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Conny Habbel sucht in Nischen ihres Elternhauses nach Heimat. Foto: Conny Habbel
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Von Christof Habres
Heimat. Wieder einmal. An und für sich ein Begriff, manchmal auch eine
Idee, der/die in deutschsprachigen Landen fast schon bis zum Abwinken
diskutiert, analysiert, ausgestellt und in der Politik meist
missbräuchlich verwendet wurde und wird. Es gibt auch kaum eine adäquate
Übersetzung dieses Worts in eine andere Sprache.
Mit diesen Konnotationen, die da mitschwingen, der Sehnsucht, der
Nostalgie und Schwermut. Bis hin zu den rückwärtsgewandten
Interpretationen einer Blut-und-Boden-Ideologie. Der Begriff Heimat,
dessen künstlerische Hinterfragung und einer eventuellen Neudefinition
hängt an deutschsprachigen Kulturschaffenden und Kuratoren wie der
berühmte Klotz am Bein. Daran sollte sich anscheinend jeder, der ernst
genommen werden will, zumindest einmal abgearbeitet haben. Auf jeden
Fall kann dieser Eindruck entstehen, wenn man die Ausstellungen und
Werkblöcke von Künstlern der letzten Jahre, ja Jahrzehnte Revue
passieren lässt.
Junge Positionen
Im Kunstraum Niederösterreich hat sich nun die Kuratorin Claudia
Marion Stemberger an diese umfangreiche, vielschichtige Thematik gewagt
und zeigt in der Ausstellung "Farewell to Longing" Arbeiten von zwölf
internationalen Künstlern. Die sich aus verschiedensten Richtungen
diesem verqueren Begriff nähern. Bei der Zusammenstellung der Künstler
fällt positiv auf, dass es Stemberger gelungen ist, meist sehr junge
Positionen zu präsentieren.
Werden mit diesem Altersdurchschnitt auch neue Ideen, Reflexionen und
Konzepte zu diesem Begriff zugänglich gemacht? Zu einem überwiegenden
Teil ja. Wobei vor allem die individuellen Antwortansätze zu den Fragen
"Was ist Heimat?" und "Wo ist Heimat?" den Reiz der Ausstellung
ausmachen.
Wie in der Arbeit der Künstlerin Conny Habbel, die in der bemerkenswerten Fotoserie "Home is the place you left" versucht,
in verschiedenen Räumen und
Nischen mit persönlichen Posi-
tionierungen in ihrem Eltern-haus, das in ihrer Kindheit Heimat gewesen ist, ebendiese zu
finden. Woran sie schmerzlich scheitert.
Kann Heimat auch in einem selbst sein? Ein verinnerlichtes Gefühl?
Ein Versunkensein? Wie es die Schweizer Künstlerin Zilla Leutenegger in
ihrem Video "passato remoto" zeigt: Der Schatten einer schaukelnden
Figur an eine kahle Bretterwand projiziert, im Endlos-Loop mit
knarrenden Geräuschen, die Figur so auf sich selbst konzentriert, als
habe sie ihre Heimat gefunden.
Manchmal wird Menschen eine Heimat von staatlichen Stellen verordnet.
Wie ein Beispiel aus Südafrika zeigt: In der fesselnden Video-Animation
"Vestiges" der Künstlerin Safia Stodel kann man in einem Nachbau einer
engen, stickigen Wellblechhütte miterleben, wie diese Bauten, die armen
Familien von Beamten zugeteilt und zu einer Art Heimat wurden, aufgrund
von Straßenneubauten infolge der letztjährigen Fußballweltmeisterschaft
einfach geschliffen wurden und die Familien wieder heimatlos machten.
Ein Vogel fern der Heimat
Fern der Heimat ist auch die südafrikanische Vogelart, die der
Künstler James Webb in der Soundinstallation "There is no place called
home" hinter dem Kunstraum in einem Baum bei der Minoritenkirche
zwitschern lässt. Ob es vorbeigehenden Passanten auffällt, dass diese
Vogelart nicht bei uns heimisch ist? Ein Vogel als heimatloser Asylant
hinter dem Innenministerium? Auf jeden Fall hat der Pfarrer der
Minoritenkirche dieser Soundinstallation für die Dauer der Ausstellung
so etwas wie Kirchenasyl gewährt.
Eine Ausstellung, die in ihrer Zusammenstellung für den Betrachter
mehr Fragen aufwirft als beantwortet. Was bei dem Begriffsungetüm
"Heimat" nur positiv sein kann.
Ausstellung
Farewell to Longing
Claudia Marion Stemberger
(Kuratorin)
Kunstraum Niederösterreich
(http://www.kunstraum.net)
Zu sehen bis 23. Juli 2011
Printausgabe vom Dienstag, 14. Juni 2011
Online seit: Montag, 13. Juni 2011 18:16:00