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Wenn Denkmäler Zündstoff bergen

24.09.2011 | 17:39 | von Barbara Petsch (Die Presse)

In letzter Zeit entstanden einige Kontroversen um die steinernen Zeugen der Vergangenheit – von Weinheber bis Lueger. Meist geht es heute um die NS-Zeit und um temporäre Interventionen im öffentlichen Raum.

"Zu spät!" Diesen Schriftzug trägt die temporäre Pflanzeninstallation der beiden Künstlerinnen Carola Dertnig und Julia Rode auf ihrem „Mahnmal“ auf dem Morzin-Platz. Dort stand das Hotel Metropol, in der NS-Zeit die Wiener Gestapo-Zentrale. Der Bau wurde im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt und 1948 abgerissen. Ein Denkmal erinnert an die unsagbaren Grausamkeiten, die sich hier ereigneten. Heute ist der Platz ein urbanes Vakuum. Die Schrift von Dertnig und Rode ist Teil eines Projekts von „Kunst im öffentlichen Raum“ (KÖR): Im Rahmen temporärer künstlerischer Interventionen soll an die homosexuellen und Transgender-Opfer der NS-Zeit erinnert werden.

Weinheber-Streit. Schauplatzwechsel: Im Schillerpark vor der Kunstakademie steht das Denkmal für Josef Weinheber (1892–1945), für die einen Dichterfürst („Wien wörtlich“), für die anderen NS-Poet. 1940 wurde das Weinheber-Denkmal geschaffen, 1975 aufgestellt, schon damals gab es Streit um die Büste, weswegen sie zum Schutz vor Attacken auf einem besonders starken Fundament errichtet wurde. Dieses soll nun freigelegt und auf Weinhebers NS-Verstrickung hingewiesen werden – auch hier geht es um eine künstlerische Intervention, die zunächst temporär gedacht war und nun fix sein soll. Manche Weinheber-Freunde sind darüber ziemlich sauer.
Am heutigen Sonntag (25. 9.) ist der Tag des Denkmals, eine Gelegenheit zu fragen, was Denkmäler können, was nicht? „Die Presse am Sonntag“ erkundigte sich bei Wolfgang Kos, Wien-Museum-Chef und Historiker. Denkmäler seien „rhetorische Lautsprecher“, „PR-Arbeit für Geistesgrößen und andere prominente Personen“, so Kos. Wirklich „giftig“ seien die Monumente nicht. Jedoch: „Es steckt Dynamit in ihnen, das feucht geworden ist. Wir können die Denkmäler teilweise nicht mehr lesen.“ Denkmäler sind meist „keine objektiven Setzungen“, sie entstehen, weil Komitees sich für sie einsetzen, aus politischen oder praktischen Gründen, viele Denkmale in Wien wurden im Zuge der Stadterweiterung errichtet. Der Nationalismus im 19. Jahrhundert habe generell viele Denkmale hervorgebracht, die an Großfürsten erinnern, die in ihren Ländern bereits in früher Zeit die Nationalidee hochhielten: „Nach den Opfern fragt in so einem Fall natürlich niemand“, sagt Kos. Eine technische Möglichkeit, Denkmale wieder lesbar zu machen, könnte sich durch die iPhone- und iPad-Technik von Apple ergeben. Schon heute könne man die Geräte z. B. zu Kaufhäusern hinhalten und deren Öffnungszeiten erfahren: „Diese Technologie könnte man auch für kulturelle Informationen nutzen.“
Kos erinnert an einen originellen Vorschlag Kasper Königs, der ab 1989 Direktor der Frankfurter Städel-Kunsthochschule war. Er forderte die Verfrachtung aller Frankfurter Denkmale in ein Depot: „Danach sollte man sich überlegen, welche man wieder haben wollte, welche nicht. Dahinter steht u. a. der Gedanke, dass Denkmäler die Stadt verstopfen und die Vergangenheit die Zukunft blockiert“, erläutert Kos.

Ideal: Judenplatz-Mahnmal. Die Denkmalmode des 19. Jahrhunderts sei lang vorbei. Wie ambivalent die Haltung zu Monumenten geworden sei, zeige sich u. a. daran, „dass Politiker heute schon gar nicht mehr wissen, ob und wie sie sich malen lassen sollen“, sagt Kos. Mahnmale wie jenes in Berlin zur Erinnerung an den Holocaust – von Peter Eisenman, 2005 eröffnet – seien ein Zeichen „kollektiver Hygiene“. Als gelungenes Beispiel in Wien nennt Kos Rachel Whitereads Mahnmal für die österreichischen, jüdischen Opfer der Shoah auf dem Judenplatz. Im November wird auf dem ehemaligen Areal des Turner-Tempels, der in der Reichspogromnacht 1938 niedergebrannten Synagoge (15. Bezirk), eine Gedenkstätte, gestaltet von der Gruppe Auböck + Kárász & Lobnig/Andraschek, eröffnet.
Ein weiterer Diskussionspunkt der jüngeren Zeit waren die Künstlervorschläge, das Denkmal des antisemitischen Wiener Bürgermeisters Karl Lueger zu kippen (www.luegerplatz.com). Das Denkmalamt konnte sich damit nicht anfreunden.


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