"Zu
spät!" Diesen Schriftzug trägt die temporäre Pflanzeninstallation der
beiden Künstlerinnen Carola Dertnig und Julia Rode auf ihrem „Mahnmal“
auf dem Morzin-Platz. Dort stand das Hotel Metropol, in der NS-Zeit die
Wiener Gestapo-Zentrale. Der Bau wurde im Zweiten Weltkrieg stark
beschädigt und 1948 abgerissen. Ein Denkmal erinnert an die unsagbaren
Grausamkeiten, die sich hier ereigneten. Heute ist der Platz ein
urbanes Vakuum. Die Schrift von Dertnig und Rode ist Teil eines
Projekts von „Kunst im öffentlichen Raum“ (KÖR): Im Rahmen temporärer
künstlerischer Interventionen soll an die homosexuellen und
Transgender-Opfer der NS-Zeit erinnert werden.
Weinheber-Streit. Schauplatzwechsel:
Im Schillerpark vor der Kunstakademie steht das Denkmal für Josef
Weinheber (1892–1945), für die einen Dichterfürst („Wien wörtlich“),
für die anderen NS-Poet. 1940 wurde das Weinheber-Denkmal geschaffen,
1975 aufgestellt, schon damals gab es Streit um die Büste, weswegen sie
zum Schutz vor Attacken auf einem besonders starken Fundament errichtet
wurde. Dieses soll nun freigelegt und auf Weinhebers NS-Verstrickung
hingewiesen werden – auch hier geht es um eine künstlerische
Intervention, die zunächst temporär gedacht war und nun fix sein soll.
Manche Weinheber-Freunde sind darüber ziemlich sauer.
Am heutigen
Sonntag (25. 9.) ist der Tag des Denkmals, eine Gelegenheit zu fragen,
was Denkmäler können, was nicht? „Die Presse am Sonntag“ erkundigte
sich bei Wolfgang Kos, Wien-Museum-Chef und Historiker. Denkmäler seien
„rhetorische Lautsprecher“, „PR-Arbeit für Geistesgrößen und andere
prominente Personen“, so Kos. Wirklich „giftig“ seien die Monumente
nicht. Jedoch: „Es steckt Dynamit in ihnen, das feucht geworden ist.
Wir können die Denkmäler teilweise nicht mehr lesen.“ Denkmäler sind
meist „keine objektiven Setzungen“, sie entstehen, weil Komitees sich
für sie einsetzen, aus politischen oder praktischen Gründen, viele
Denkmale in Wien wurden im Zuge der Stadterweiterung errichtet. Der
Nationalismus im 19. Jahrhundert habe generell viele Denkmale
hervorgebracht, die an Großfürsten erinnern, die in ihren Ländern
bereits in früher Zeit die Nationalidee hochhielten: „Nach den Opfern
fragt in so einem Fall natürlich niemand“, sagt Kos. Eine technische
Möglichkeit, Denkmale wieder lesbar zu machen, könnte sich durch die
iPhone- und iPad-Technik von Apple ergeben. Schon heute könne man die
Geräte z. B. zu Kaufhäusern hinhalten und deren Öffnungszeiten
erfahren: „Diese Technologie könnte man auch für kulturelle
Informationen nutzen.“
Kos erinnert an einen originellen Vorschlag
Kasper Königs, der ab 1989 Direktor der Frankfurter
Städel-Kunsthochschule war. Er forderte die Verfrachtung aller
Frankfurter Denkmale in ein Depot: „Danach sollte man sich überlegen,
welche man wieder haben wollte, welche nicht. Dahinter steht u. a. der
Gedanke, dass Denkmäler die Stadt verstopfen und die Vergangenheit die
Zukunft blockiert“, erläutert Kos.
Ideal: Judenplatz-Mahnmal. Die
Denkmalmode des 19. Jahrhunderts sei lang vorbei. Wie ambivalent die
Haltung zu Monumenten geworden sei, zeige sich u. a. daran, „dass
Politiker heute schon gar nicht mehr wissen, ob und wie sie sich malen
lassen sollen“, sagt Kos. Mahnmale wie jenes in Berlin zur Erinnerung
an den Holocaust – von Peter Eisenman, 2005 eröffnet – seien ein
Zeichen „kollektiver Hygiene“. Als gelungenes Beispiel in Wien nennt
Kos Rachel Whitereads Mahnmal für die österreichischen, jüdischen Opfer
der Shoah auf dem Judenplatz. Im November wird auf dem ehemaligen Areal
des Turner-Tempels, der in der Reichspogromnacht 1938 niedergebrannten
Synagoge (15. Bezirk), eine Gedenkstätte, gestaltet von der Gruppe
Auböck + Kárász & Lobnig/Andraschek, eröffnet.
Ein weiterer
Diskussionspunkt der jüngeren Zeit waren die Künstlervorschläge, das
Denkmal des antisemitischen Wiener Bürgermeisters Karl Lueger zu kippen
(www.luegerplatz.com). Das Denkmalamt konnte sich damit nicht
anfreunden.