OÖN Zitat |
„Gerade die Kunst des 20. Jahrhunderts hat Ateliers auch in Frage gestellt.“
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| Ateliers sind so verschieden wie die Künstler, die darin arbeiten, und die Kunst, die in ihnen entsteht. |
Das leergeräumte Atelier gilt nach wie vor als Synonym für den künstlerischen Erfolg - doch an diesen speziellen
Mich interessieren Ateliers. Durch eine umtriebige Zeichenlehrerin in
der Schulzeit, Neugierde während des Kunstgeschichtestudiums und den
späteren Beruf in der Kulturabteilung beziehungsweise der Landesgalerie
konnte ich in den letzten Jahren sehr viele Künstlerinnen und Künstler
in ihren Ateliers besuchen.
Grundsätzlich sind Ateliers ein
oder mehrere Arbeitsräume, die sich ganz unterschiedlich mit anderen
Funktionen verschränken können. Ateliers sind oft auch Lager,
Präsentationsort, Wohnbereich, Büro, Bibliothek und vieles mehr.
Jedes
Atelier besitzt seine eigene Größe, Lage, Atmosphäre und Stimmung sowie
Funktionalität. Dabei sind die wenigsten Ateliers tatsächlich als
solche geplant und gebaut worden.
So kommt man in ganz normale
Wohnungen, Keller, Dachböden, aufgelassene Geschäftslokale, Fabriken,
Container, Werkstätten, Gartenhäuser, Hallen und Lofts.
In den seltensten Fällen hat dabei die Art des Ateliers mit der Qualität der dort produzierten Kunst zu tun.
Ganz
unterschiedlich ist auch der jeweilige Eindruck: Meditative Stimmungen
in Ateliers gehören ebenso zu meinen Erfahrungen wie Betriebsamkeit
durch Assistentinnen und Assistenten sowie laufende Anrufe - das
leergeräumte Atelier gilt ja nach wie vor als Synonym für den
künstlerischen Erfolg.
Wie jeder andere berufliche und private
Lebensraum verraten Ateliers auch viel über ihre Benutzerinnen und
Benutzer. So ist mir das Atelier auch ein wichtiger Erfahrungsort von
Künstlerinnen und Künstlern geworden.
Das Atelier bestimmt
meine Werkerfahrung und Kunstrezeption, zumal man de facto auch mehr
Ateliers als Ausstellungen besucht und sich gleichzeitig länger in
Ateliers als in Galerien bzw. Museen aufhält.
Ein Thema der Kunst
Unabhängig
von der Kunst- und Werkform ist das Atelier ein Ort, der mit der
künstlerischen Arbeit untrennbar verbunden ist - egal ob ein Konzept
entwickelt oder ein Bild gemalt wird. Raumhöhe, Türöffnung und
Stiegenhaus sind Faktoren, die u. a. auch die Größe einer Leinwand
bestimmen können.
Inszenierung?
Auch spürt man relativ rasch, ob Räume authentisch genützt werden oder stärker einer Inszenierung folgen.
Bilder
des opulent ausstaffierten Ateliers von Hans Makart im 19. Jahrhundert
gehören ebenso wie die Beschreibungen von Andy Warhols "Factory" zu
fixen Vorstellungen von Ateliers in der Kunstgeschichte. Gerade die
Kunst des 20. Jahrhunderts hat diese Ateliers jedoch auch in Frage
gestellt.
Die Kritik an tradierten Vorstellungen von Kunst und
am Festhalten von klassischen Kunstgattungen wie Malerei, Zeichnung und
Skulptur hat im Sog der Institutionskritik auch das Atelier an sich in
Frage gestellt. Gleichzeitig war das Atelier jedoch auch immer ein
Thema der Kunst.
So arbeitete schon in den 1930er Jahren Kurt
Schwitters an einem Atelier als fantastischer Raumkonstruktion. Sein
leider kriegszerstörter "MERZbau" wurde in den 1970er Jahren von Harald
Szeemann zu einem Brennpunkt der Moderne erklärt, in dessen Tradition
international renommierte Künstler wie Lois Renner und Gregor Schneider
nach wie vor arbeiten. Auch sind Ateliers ein beliebtes Thema für
verschiedenste fotografische Projekte.
Selbst überzeugen
Atelierbesuche waren mir in den letzten 20 Jahren vielfach Freude, selten Pflicht. Manchmal blieb eine Tür auch verschlossen.
Die
seit 1983 vom Land Oberösterreich organisierten "Tage des offenen
Ateliers" bieten dank der Mitwirkung und Bereitschaft so vieler
Künstlerinnen und Künstler großartige Möglichkeiten, eine Vielzahl an
Ateliers zu besuchen. Es zahlt sich aus - überzeugen Sie sich selbst!
Zur Person: Martin Hochleitner, Kunstarchäologe
Der
geborene Salzburger Martin Hochleitner studierte Klassische Archäologie
und Kunstgeschichte in Salzburg. Von 1993 bis 2000 leitete er die
Förderungsbereiche Bildende Kunst, Foto/Film und Neue Medien am
Institut für Kulturförderung des Landes Oberösterreich. Von 1993 bis
2000 war er gemeinsam mit Peter Assmann Kurator der Galerie im
Stifterhaus in Linz.
Seit 1995 ist Hochleitner
Lehrbeauftragter für Kunstgeschichte an der Kunstuniversität Linz, seit
2005 Lehrbeauftragter am Institut für Kunstwissenschaften und
Philosophie der Katholisch-Theologischen Privatuniversität Linz. Seit
2000 ist Martin Hochleitner Leiter der Landesgalerie Linz.
vom 04.10.2007 | |
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