Aktionismus-Halle und Atelier: Adolf Krischanitz
baute im Landgut Friedrichshof ein Atelierhaus
Schneewittchenhaus am Pusztarand
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Adolf Krischanitz baute für Gerfried Sperl ein Atelierhaus mit einer
Grundfläche von 5,5 mal 22 Meter. Foto: Hans Haider
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Von Hans Haider
Vorgabe:
Kosten dürfen 70.000 Euro nicht übersteigen.
Einfachheit als ästhetische Basis.
Erinnerungen an die Otto-Muehl-Kommune.
Wien.
Wer ist das allerschönste Kind im Land? Schneewittchen, wer sonst. Haut
weiß wie Schnee, Lippen rot wie Blut, Haar schwarz wie Ebenholz. Ein
weiß-rot-schwarzes Schneewittchenhaus wurde im Burgenland, Gemeinde
Zurndorf, Gut Friedrichshof, fertiggestellt. In dieser ideal
ausbalancierten Kombination stellte es Adolf Krischanitz für den
Journalisten Gerfried Sperl ins Terrain der ehemaligen Muehl-Kommune.
Der langgestreckte kellerlose Leichtbau ergänzt das deutlich größere
Familienhaus, das Krischanitz schon 1996 aufstellte, ebenfalls auf einer
schmalen Parzelle in der Südwest-Nordost-Achse.
Nicht mehr als 70.000 Euro durfte dieses Atelierhaus für Kurse zur
Journalisten-Fortbildung kosten, so der Architekt, Jahrgang 1946, über
seine Vorgaben. Eine Zwölfer-Seminargruppe kann bequem am langen
schwarzen Tisch sitzen, auf schwarzen Leder-Stahlrohr-Sesseln und einer
an die weiße Wand gerückten schwarzen Bank. Das Rot des Plastikbodens
kennt man aus Pompei. Fällt Sonnenlicht darauf, überzieht Rotlauf die
grellweißen Innenwände. Auch jenes Farbenspiel erfüllt sich, das Goethe
1786 auf der Italienischen Reise in einer Herberge in Malcesine am
Gardasee entdeckte: Als eine Magd in Rot seine Kammer verließ, blieb ihr
Nachbild grün zurück.
Hohe Aura, zelebrierte Einfachheit. Schon ein zusätzlicher Sessel,
ein Schirmständer oder ein Bild an der Wand kann das Ebenmaß stören. Der
Seminarraum füllt die volle Höhe. Dahinter ist ebenerdig ein
Sanitärraum versteckt und darüber ein winziges Studiolo mit Blick
hinunter auf Tisch und Bank sowie, durch das hausbreite Fenster, auf die
Puszta hinaus.
Die Treppe hinauf beult die Hauswand sichtbar aus. Ein reizvoller
Effekt in der hölzernen Stulpenschalung. Krischanitz wählte eine solche
geriffelte Außenhaut schon beim Haus für den Co-Vorstand der
Kontrollbank Rudolf Scholten im Schlosspark von Heidenreichstein (2002).
Noch fehlt dem weißen Solitär die gärtnerische Einfassung. Die
Dreistufentreppe zum Eingang beschämt mit edlem Hartholz die weiß
gefärbelte Nadelholzfassade.
Sammlung Friedrichshof
Mit reinstem Weiß hat der auf Kulturbauten (Kunsthalle Karlsplatz und
Berlin, Buchmessepavillon Frankfurt, Schreibstube für Robert Menasse,
Zwanzigerhaus-Ausbau) abonnierte Krischanitz auch die Schauhalle der
"Sammlung Friedrichshof" ausgekleidet. Der Wiener Aktionismus fand dort
eine neue Dauerpräsentation. Frozen-Action-Dokumente mit hohem
Handelswert. Hubert Klocker, als Dauerkurator der Sammlung, hat wie kein
Zweiter mit seinen Büchern und Ausstellungen in Wien, Los Angeles,
Barcelona, Tokio den Aktionismus kanonisiert.
In der 400-Quadratmeter-Halle ist Platz für zwei Wechselausstellungen
in jedem Jahr – zum Beginn für eine Videoinstallation von Paul McCarthy
mit 13 Bildwerfern. Günter Brus, Hermann Nitsch, Otto Muehl, Rudolf
Schwarzkogler und der frühe Alfons Schilling sind in zwei White Cubes
klinisch rein konserviert. Ein strenger Rahmen im Geist des Meisters:
"Er will nicht, dass sich andere Gerüche mit den seinen vermengen. Er
ist hier der Herr des Hofes und er markiert wie die Kater zu bestimmten
Zeiten ein bestimmtes Gebiet. Er riecht nach Macht . . .", schrieb eine
Aussteigerin über den Friedrichshof im Roman "Das Erlernen der
Totgeburt". Ihre Bücher erschienen 1977 bis 1981 unter dem Pseudonym
Maria Erlenberger im Rowohlt-Verlag. Sie ist eine Wienerin – und seither
literarisch verstummt.
Fichte und Glas
Die alte Halle, in der schon bisher ausgestellt war, was nach
Verkäufen an Karlheinz Essl, Rudolf Leopold und – heute der größte
Bestand – an das Wiener Mumok übrigblieb, bekam ein Foyer vorgebaut.
Glaswände, eine automatische Glasschiebetür, ein Empfangsdesk in
Schwarz, dahinter ein ebenso schwarzes Regal mit fünf mal fünf
quadratischen Fächern. Dem Quadrat, ein Symbol für Erde gegenüber dem
Kreis als Symbol des Himmels, begegnet man noch in anderen Details der
vorzüglichen Tischlerarbeiten. Der simple Riemenboden aus Fichte
schluckt jedes Gehgeräusch. Zwei mächtige Holzstützen in der Form von
Andreaskreuzen hinter den Glaswänden des Windfangs stehen Parade für die
Besucher (telefonische Anmeldung unter 0676/749 76 82 oder 0660/250 95
38). Ein klares optisches Signal inmitten des Agglomerats
landwirtschaftlicher Null-Architektur.
1990 löste sich die Muehl-Kommune auf. Die nachfolgende
Friedrichshof-Wohnungsgenossenschaft holte sich Geld durch Kunst- und
Grundstücksverkäufe, zum eigenen Überleben und zur Abfertigung
weichender Mitglieder. Adolf Krischanitz entwarf einen Bebauungsplan:
einen sogenannten "Central Park", autofrei, mit einem Badeteich inmitten
und schmalen Bauplätzen wie für den traditionellen burgenländischen
Bauernhof. Gerfried Sperl kam als einer der ersten Neusiedler.
Printausgabe vom Mittwoch, 10.
November 2010
Online seit: Dienstag, 09. November 2010 16:19:17
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