Kultur

Kunst als Propaganda

26.01.2007 | SN
Egal ob aus Italien, Nazi-Deutschland oder den demokratischen USA: Staatsnahe Bilder der Zwischenkriegszeit haben eine ähnliche Sprache. GERALD FELBER

Gerald Felber Berlin (SN). Die ästhetische Umsetzung ist oft lausig, die Ikonographie dafür ist bekannt: Der Feind ist entmenscht, der eigene Kämpfer ist heroisch und freien Blicks, sein Weib ist kraftvoll-mütterlich und dennoch zart. Dieser Grundtenor von staatlicher Auftragskunst im Europa der Zwischenkriegszeit ist in der Ausstellung "Kunst und Propaganda im Streit der Nationen 1930-1945", ab heute, Freitag, im Berliner Deutschen Historischen Museum zu entdecken.

Natürlich finden sich regionale Nuancen: der Italiener macht in futuristischer Technikbesessenheit Mussolini zu einer Art Menschheits-Zentralingenieur, der Deutsche hat's mehr mit der dampfenden Scholle; und der linientreue Sowjetkünstler entdeckt den Reiz der flachen Steppe, weil sich der klein gewachsene Stalin davor besser ins Heroische auflupfen lässt. Doch alles in allem spricht die Propagandakunst der drei Diktaturen nur verschiedene Dialekte der gleichen Sprache.

Aus der Frage dieser "Dialekte" wird dort eine der Dialektik, wo in dieser Ausstellung mit den USA eine vierte Macht ins Spiel kommt. Sie sind von jenen damaligen Nationen, der einzige demokratisch organisierte Staat, in dem allerdings durch Roosevelts "New Deal" ab 1933 ebenfalls eine Zentralisierung des geistigen Lebens nebst einem umfangreichen Auftrags- und Wettbewerbswesen begann. Frappierend ist in der direkten Konfrontation von damaligen europäischen und US-amerikanischen Bildern, dass zwar nicht in den rassistischen Entgleisungen und den götzenhaften Überhöhungen des Personenkults, wohl aber in den Apotheosen von "gesunder" Familie, wirtschaftlichem Aufbauwillen und Verteidigungsbereitschaft bis hin zu den gigantomanischen Megapolen-Projekten der Unterschied zwischen Demokratie und Diktaturen nur graduell ist.

Dass Kunst Gefahr läuft, ihr Eigenes zu verlieren, wenn sie sich zu vorbehaltlos mit der Macht - gleich welcher Art! - einlässt, findet so eine drastische Bestätigung. Es mag zwar moralisch nicht egal sein, welches Menschen- und Staatsbild hinter einem Auftrag steckt und ob eine Prachtstraße von Freiwilligen oder von geknechteten Zwangsarbeitern errichtet wird. Doch: Dem Ergebnis sieht man das nicht an.

Nicht in den zentralen Großobjekten, sondern eher in den Randbereichen finden sich noch weitere überraschende Einsichten. Wer hätte vermutet, dass die verlorene Stalingrad-Schlacht in NS-Deutschland nicht etwa tabuisiert wurde, sondern durchaus zum Kunstthema des Jahres 1943 werden konnte? Doch so ist es: die stoische, fast meditative Ruhe eines verwundeten Soldaten wertet dabei den Angreifer zum Opfer um und stellt so noch die Niederlage in den Dienst der faschistischen Mobilisierung.

Und da gibt es das in seiner überzeugenden, ja anrührenden Schlichtheit fraglos schöne italienische Plakat eines jungen, in keiner Weise heroinenhaft stilisierten Mädchens, das mit ausgebreiteten Armen die Schwelle seines Hauses schirmt. "L'invasore non deve passare" steht darüber - "Der Angreifer darf nicht hereinkommen". Motiv und Zeile hätten auch die Republikaner im spanischen Bürgerkrieg einsetzen können - hier aber ruft das Bild zum Widerstand gegen die alliierten Truppen, die gerade auf dem Stiefel gelandet sind. Man ist einen Moment verwirrt, wenn faschistische Propaganda nicht die groben Klötze und Keile einsetzt, sondern in ihrem manipulativen Potenzial plötzlich nah bei unserem heutigen Denken landet. Aber das ist nur ein Beweis mehr, wie wenig das Phänomen, dem sich die Schau widmet, in seinen philosophischen und psychologischen Hintergründen bisher durchdrungen ist - und dass eine Ausstellung wie diese deshalb kaum mehr als ein zaghafter Anfang sein kann. Bis 29. April im Pei-Bau des DHM, Unter den Linden 2. Internet: www.dhm.de.

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