Kugelschreiber gegen Pinsel
ERNST P. STROBL Wien (SN). Im Jahr 1568 entstand das Bild „Bauer und Vogeldieb“ von Pieter Brueghel d. Ä., darüber hängt eine Zeichnung aus dem Jahr 1990, „Leimrutenmann“ von Jan Fabre. Passen gar nicht so schlecht zusammen trotz Altersunterschieds, die Bilder. Alter Meister ist der 1958 geborene belgische Multikünstler noch nicht, aber er misst sich nun in der berühmten Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums mit der Topliste der Kunst aus mehreren Jahrhunderten.
Das Kunsthistorische Museum als einer der führenden Kunsttempel weltweit hat damit erstmals einen lebenden Künstler in die Gemäldegalerie geladen, setzt allerdings „nur“ fort, was im Königlichen Museum der Schönen Künste Antwerpen und im Louvre in Paris begonnen hat – nämlich Fabre zum Verbindungsmann über die Zeiten zu wählen, den Künstler, der wie wenig andere das Zeichnerische mit dem Malerischen verbindet. Und eigentlich hätte man eine ganze Reihe von Bildern auch im benachbarten Naturhistorischen Museum zeigen können, denn ohne Insekten kommt auch diese Bildersammlung nicht aus. Der Titel der gezeigten Serie „Die Blaue Stunde“ ist sogar den Schriften des Urgroßvaters von Fabre entlehnt, und der war der berühmte Insektenforscher Jean-Henri Fabre.
In der „Blauen Stunde“, zur Dämmerung, kämen die Insekten, sagt Fabre. Während die Welt die Metamorphose von hell und dunkel durchläuft, verwandeln sie sich, zwei Mal am Tag. Schmetterlinge mit zarten Flügeln sind ebenso in Bilder eingebaut wie die exotischen „Wandelnden Blätter“, und wer das Werk von Jan Fabre kennt, weiß, dass er großes Aufsehen mit Werken aus den Flügeln von Prachtkäfern errang. Sich nun zwischen den Alten Meistern von Dürer über Caravaggio bis Rubens einzureihen, sei für Fabre „eine Übung in Demut und darin, ein Diener der Schönheit zu sein“, wie er bei der Pressekonferenz am Dienstag sagte. In der Gemäldegalerie sei er tagelang herumgegangen, um sich eine Hängung zu überlegen – „nach Inhalt, Geschichte, Symbolik. Und dann war alles ganz einfach.“ Seine anfängliche Skepsis wäre gewichen, es sei ja darum gegangen, Zeichnungen zu präsentieren. Man darf erstaunt sein, wie er es schafft, einzig mit dem Mittel des Bic-Kugelschreibers – und akribischer Sorgfalt – so plastische Wirkungen zu erzielen, dass die Großformate zu „Gemälden“ werden, und wenn auch vielleicht erst auf den zweiten Blick. Mitunter stellt sich erst nach genauerer Betrachtung heraus, dass da etwa auf einer Couch eine Figur liegt. Es gibt auch kleine Blätter, wie die Serie „Blitz in Berlin“. Auf dem Dach des Museums prangt die lebensgroße Bronzeskulptur „Der Wolkenvermesser“. Große Vorhänge decken ganze Bilderwände ab, einleuchtender ist etwa Fabres „Arm mit Schlange“ neben Rubens „Haupt der Medusa“. Übrigens zeigt ab heute, Mittwoch, auch die Galerie Mario Mauroner den seit vielen Jahren betreuten Künstler mit „Juwelen des Todes“, zum ImPulsTanz im Juli kommt Fabre als Performance-Regisseur wieder nach Wien, das Volkstheater zeigt sein Stück „Prometheus“. („Die Jahre der Blauen Stunde“, bis 28. 8.). www.khm.at