Kunst für den Normalverdiener: In Wien gastieren
diesen Herbst wieder ArtMart und Kunstsupermarkt
Die Revolution der leistbaren Kunst
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Hier fehlt nur noch das Einkaufswagerl: Der Kunstsupermarkt bietet Kunst
zum Schnäppchen-Preis. Foto: Urbanek
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Von Julia Urbanek
![Aufzählung Aufzählung](00091373-Dateien/wzfeld.gif)
ArtMart zeigt
2500 Werke zu je 80 Euro.
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Kunstsupermarkt mischt die Szene auf.
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Kritik von Galeristen ist verstummt.
Wien.
Oswald Oberhuber um 80 Euro? Darf Kunst Schnäppchenpreise haben – ohne
großes Brimborium und den Zauber einer Innenstadtgalerie? Dass sie nicht
nur für Eliten mit kunsthistorischer Bildung und den nötigen Mitteln da
sein muss, beschlossen in der Kunstszene der späten 90er-Jahre gleich
mehrere.
1999 gründete der Londoner Galerist Will Ramsay die "Affordable Art
Fair" und wollte damit zeigen, dass man kein "Experte oder Millionär
sein muss, um Kunst zu kaufen". Schon die erste Messe zog 10.000
Besucher an, mittlerweile kommen 23.000 Besucher jedes Jahr, um sich die
Werke, die maximal 5000 Euro kosten dürfen, anzusehen und auch zu
kaufen. Die Affordable Art Fair läuft heute auch in Städten wie Mailand,
New York oder Sydney – weltweit wurden seit dem Start 120 Millionen
Pfund umgesetzt. Ebenfalls in den 90er-Jahren, 1998, wurde in der
Kunststadt Marburg vom Spanier Mario Teres der erste Kunstsupermarkt
gegründet. 1995 wurde in Griechenland die erste Cheap Art Ausstellung
veranstaltet – mit Kunst zum günstigen Einheitspreis.
Ausnahmezustand
Nach Österreich kam die Idee der leistbaren Kunst erst in den
"Nullerjahren": 2007 eröffnete der erste Kunstsupermarkt auf der Wiener
Mariahilfer Straße seine Pforten. Im gleichen Jahr startete im
Künstlerhaus die erste "ArtMart" nach griechischem Vorbild. Die
"Ausstellung mit experimentellem Marktcharakter" übt auch heuer wieder
den einwöchigen Ausnahmezustand. Von 16. bis 21. November läuft die
Schau, in dieser Zeit ist jedes der gezeigten 2500 Werke um 80 Euro
erhältlich. Die 250 beteiligten Künstler, darunter eben auch Oswald
Oberhuber, werden von einem Kuratorenteam eingeladen und haben im
Künstlerhaus je 70 Zentimeter Wandbreite zur Verfügung. Interessierte
sollten Schnelligkeit und einen gewissen Jagdinstinkt mitbringen, der
Verkauf funktioniert nach dem "first come, first serve"-Prinzip: Bilder
mit rotem Punkt sind nicht mehr zu haben.
Sehen auch Galeristen rot, wenn Kunst hier zum Schnäppchenpreis
verkauft wird? "Anfangs gab es sehr harsche Reaktionen. Die Galeristen
haben über die Idiotie des ArtMart geschimpft", erzählt Organisator
Christian Rupp. Mittlerweile gebe es keine negativen Reaktionen mehr.
"Wir haben Zeit gehabt, zu beweisen, dass das System funktioniert."
Aber kann denn Kunst wirklich so günstig sein? "Kunst kann zwar nicht
generell so billig sein, in einem einwöchigen Ausnahmezustand aber
schon." Das Ziel des ArtMart ist vor allem die Verführung zu Kunst. Hier
kaufen neben Sammlern auch Menschen ein, die den Weg in eine Galerie
bisher nicht gefunden haben. "Sie interessieren sich auch nach der
ArtMart für Kunst – auch, wenn dann die Preise ein wenig höher sind",
meint Rupp, der sich freut, dass damit das "Erhoffte eingetreten ist".
Um Verführung geht es auch dem Kunstsupermarkt, der noch bis 17.
Jänner auf der Mariahilfer Straße gastiert. Mehr als 80 österreichische
und internationale Künstler verkaufen hier ihre Werke – darunter
neuerdings auch Fotografien und Skulpturen – zu gestaffelten Fixpreisen
von 50, 99, 199 und 299 Euro.
Nach Österreich gebracht hat das Konzept, das in Deutschland und der
Schweiz erfolgreich läuft, Kulturmanager Peter Doujak, der auch die
"Lange Nacht der Museen" entwickelte. "Der Name Kunstsupermarkt ist
total wichtig, er polarisiert und das ist auch gut so", erklärt Doujak.
"Manche rümpfen vielleicht die Nase über Billiges, in dem Fall geht es
aber um Leistbares, leicht Erreichbares und große Auswahl."
Er erzählt von den bewegten Anfängen des Projekts in Marburg, als
Kunstsupermarkt-Erfinder Mario Teres mit seinem Konzept die Szene in
Aufruhr versetzte. "Da kommt einer und mischt den elitären Kunstmarkt
auf, wo sich die Protagonisten der Szene die Preise untereinander
ausmachen. Er sagt, Kunst muss nicht teuer sein, sie darf auch leistbar
sein. Das hat für echtes Aufsehen gesorgt. Mittlerweile haben die
Galeristen aber gesehen, dass da nicht wirklich eine große Gefahr droht,
sondern eher Menschen zur Kunst bringt."
Als der Kunstsupermarkt nach Österreich kam, gab es diesen Aufschrei
wieder: "In Graz waren die Galeristen extrem sauer und sind über den
Kunstsupermarkt hergezogen. Wir sehen uns aber eher als Ergänzung." Es
gibt auch Künstler, die das System des Supermarkts kritisieren: "Manche
sagen, dort stelle ich nicht aus, so billig verramsche ich meine Ware
nicht. Gut, wenn jemand die Chance hat, ein Bild für 2000 Euro zu
verkaufen und so viele davon verkauft, dass er davon leben kann, dann
soll er es gerne tun", meint Peter Doujak. Die Nörgler werden mit den
Jahren immer weniger, "aber jedes erfolgreiche Konzept wird
angegriffen".
Zum Erfolgsrezept des Kunstsupermarkts gehört in einer Zeit der
Eventkultur der relativ kurze zweimonatige Zeitraum, in dem die Werke zu
kaufen sind. Vor allem aber die Qualität der Werke, nur professionelle
Künstler nehmen an der Ausstellung teil.
An diesen beiden Punkten sei wohl auch der ganzjährige Supermarkt
"M-ARS" in Wien-Neubau, der nicht mit dem Kunstsupermarkt zu tun hat,
gescheitert.
Er ist mit seinem Konzept von Kunst in echter Supermarkt-Atmosphäre –
Einkaufswagerl und Förderband inklusive – 2009 nach zwei Jahren in
Konkurs gegangen.
Hobbykünstler unerwünscht
"Qualität ist sehr wichtig. Sobald man Hobbykünstler hineinnimmt,
sind die Profis weg", sagt Peter Doujak. Die bulgarische Künstlerin Jeni
Noltcheva, die in Österreich lebt und arbeitet und in mehreren Galerien
vertreten ist, ist ein solcher Profi. Sie sieht ihre Teilnahme am
Kunstsupermarkt als ihre "kleine private Revolution": "Es ist mein
Aufstand zum herkömmlichen Kunstmarkt. Jeder soll Kunst kaufen können."
Ihre Galeristen seien aber nicht glücklich über ihre Teilnahme am
Kunstsupermarkt.
Fotokünstler Christoph Überhuber ist der Meinung, "dass auch
etablierte Künstler hier ihren Platz haben." Auf seiner Homepage wird
seine Teilnahme am Kunstsupermarkt aber nicht erwähnt: "Künstlerkollegen
haben mir geraten, es lieber nicht zu schreiben." Ein Imageproblem
durch den Namen Kunstsupermarkt? "Die Bezeichnung ist genial für Leute
mit Berührungsängsten mit Galerien und der Angst, sich zu blamieren. Ein
Supermarkt nimmt diese Ängste. In abgehobenen Kunstkreisen wird der
Begriff vielleicht nicht so geschätzt."
Dabei sind es mittlerweile auch Galeristen und Museumskuratoren, die
im Kunstsupermarkt kaufen – vor allem aber nach wie vor jene, die
Galerien bisher fernblieben. "Es gibt diesen Vermittlungsansatz, wir
wollen möglichst viele Leute zur Kunst bringen und sie dafür
interessieren", sagt Peter Doujak. Wer durch den Kunstsupermarkt geht,
kann ungestört unter vielen Werken stöbern und sich nicht von
Preisunterschieden, sondern von seinem Geschmack leiten lassen. "Man
beginnt zu vergleichen und sich mit sich selbst auseinanderzusetzen,
weil der Preis kein Kriterium mehr ist", sagt Peter Doujak. "Es ist eine
Sinnesschulung."
ArtMart, Künstlerhaus Wien, 16. bis 21. November, http://www.artmart.at;
Wiener Kunstsupermarkt bis 17. Jänner 2011, Mariahilfer Straße 103,
1060 Wien, http://www.kunstsupermarkt.at
Printausgabe vom Dienstag, 09.
November 2010
Update: Dienstag, 09. November 2010 12:31:00
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