Die Kunsthalle Krems leuchtet das Werk von Otto Dix neu aus – und damit auch umstrittene Schaffensphasen
Malerei wie Schminke am Körper
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Ätzende Konsumkritik: Bei Otto Dix sorgt ein Zylinderträger in den
deutschen Wirtschaftswunder-Jahren erneut für eine "Große
Kreuzaufrichtung". Foto: VBK Wien, 2009
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Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer
![Aufzählung Aufzählung](00084461-Dateien/wzfeld.gif)
Mit der Frühjahrsschau über Otto Dix kommt in Krems einer der großen
Sozialkritiker unter den Malern des 20. Jahrhunderts zu Wort. Nach
seinem freiwillig absolvierten Kriegsdienst 1914 bis 1918 hat er die
gesehenen Gräuel als neuer Hieronymus Bosch im Stil des Verismus
fixiert.
Dabei kritisierte Dix, die "alten Meister" hätten die
Gewalt nie selbst gesehen. Sein Ausspruch "Kunst ist für mich Bannung"
passt zur Etablierung der "Neuen Sachlichkeit" im Berlin der 20er
Jahre. Dix lenkte seinen Blick da auf den Moloch Großstadt im Gefälle
von Kriegsgewinnlern und einer völlig verarmten Unterschicht –
Prostitution, Hunger, Mord und Elend.
Jede Menge verlogener Gaunertypen neben verkrüppelten
Kriegsheimkehrern waren seine vor Hässlichkeit strotzenden Modelle.
Abgetakelter als seine Puffmütter kann wohl kaum eine Frau aussehen –
das ist der Dix, den wir alle kennen. Weniger bekannt sind die frühen
Phasen der Stilsuche, die interessante kubofuturistische Anklänge
herausstreicht, aber auch den Wechsel von Impression zu Expression. Die
Soldatenköpfe und der zornige "Männerkopf" (1919) zeigen seine
Orientierung an den "Brücke"-Künstlern und italienischen Futuristen.
Süße in der Nazi-Zeit
Doch schon das gezeichnete "Selbstbildnis mit Zigarette" (1921), die
Radierungsserie "Der Krieg" (1924) und Aquarelle über schaurige Morde
führen den typischen Dix-Stil vor: Körper wirken geschunden und mit
blauer Farbe und Blut geschminkt.
Am Höhepunkt seiner jugendlichen Schaffenskraft wurde Dix 1927 zum
Nachfolger Oskar Kokoschkas an der Akademie in Dresden, wo er zuvor
neben Düsseldorf selbst studiert hat.
Doch schon 1933 setzten ihn die Nationalsozialisten als Professor
ab, sein Werk kam in die Propagandaschau "Entartete Kunst", galt als
"gemalte Wehr-Sabotage", und es folgte das Berufsverbot. Anders als
sein Kollege Max Beckmann ging Dix aber nicht ins Ausland, sondern
begab sich wie Emil Nolde oder Oskar Schlemmer in "innere Emigration".
Ab diesem Punkt hat es die Ausstellung in der Kunsthalle Krems
schwer – weil Dix mit einer gewissen Harmlosigkeit, ja sogar Süße auf
die Malerei der Donauschule und Lukas Cranach zurückgriff. Man warf ihm
in seinen Landschaften auch Anbiederung an die Machthaber vor; seine
kämpferische Souveränität vermisst diese Lasurmalerei auf jeden Fall.
Trotzdem ist es ein Verdienst, diese Phase endlich zu beleuchten –
ebenso wie Dix’ umstrittenes Schaffen aus der Nachkriegszeit, als sich
der Maler der Abstraktion des Westens total verweigerte. Was vom
berühmten Veristen in den meist religiösen Historienbildern blieb, ist
ein Hang zur Ironie, teils zu Sarkasmus und – wie bei Kokoschka nach
1945 – die malerische Anklage gegen jeden Krieg.
Rückkehr zum Beginn
In der "Großen Kreuzaufrichtung" von 1962 aktualisiert er den Tod
Christi symbolisch in der Trümmerwelt der Nachkriegszeit. Der fette
Schlächter in Unterwäsche und Zylinder personifiziert die Angepassten
der neuen Konsumära der 50er Jahre vor den uniformen Hochhäusern. Dix’
Zynismus und eine expressive Malweise führten ihn vor seinem Tod 1969
zu seinen Anfängen zurück.
Seite 12
Ausstellung
Otto Dix: Zwischen
Paradies und Untergang Dieter Buchhart, Hartwig Knack (Kuratoren) Kunsthalle Krems http://www.kunsthalle.at bis 12. Juli
Printausgabe vom Freitag, 13. März 2009
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